I. Auf einen Blick
Darf ein Arbeitnehmer einen Firmenwagen auch für private Fahrten
und Fahrten zur Arbeitsstätte
verwenden, liegt ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor. Die Gegenleistung für die Fahrzeugüberlassung besteht in der anteiligen Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gegenüber erbringt.
Die umsatzsteuerliche Behandlung der Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer für deren privaten Gebrauch in Deutschland musste aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.01.2021 (C-288/19)
grundsätzlich neu geregelt werden. Bis zu diesem Urteil wurde die Überlassung eines Fahrzeugs durch einen Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer für dessen privaten Bedarf im Rahmen des Arbeitsverhältnisses als ein entgeltlicher Vorgang angesehen
und die Fahrzeugüberlassung stellte eine entgeltliche sonstige Vermietungsleistung
dar.
Der Bundesfinanzhof (BFH)
hat sich nun mit Urteil vom 30.06.2022
(Az. VR 25/21) zu der Frage geäußert, ob es sich bei der Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung um einen tauschähnlichen Vorgang nach § 3 Abs. 12 UStG handelt und als Inlandsleistung der Umsatzsteuer unterliegt.
Nach Auffassung des BFH liegt der für einen steuerbaren Umsatz nötige unmittelbare Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung an einen Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken und der Arbeitsleistung dann vor, wenn die Fahrzeugüberlassung individuell arbeitsvertraglich vereinbart ist und tatsächlich in Anspruch genommen wurde.
II. Im Detail
1. Verfahrensgang
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes
ging es um die Bestimmung des Leistungsorts bei der langfristigen Vermietung von Beförderungsmitteln an Nichtunternehmer nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG bzw. Art. 56 Abs. 2 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) im Zusammenhang mit der Überlassung von Fahrzeugen an Personal des Unternehmers zur privaten Nutzung. Streitig war, ob die Arbeitsleistung das Entgelt für die Dienstwagenüberlassung darstellt.
Das FG Saarland setzte das Klageverfahren mit Beschluss v. 18.3.2019 - 1 K 1208/16 aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, inwieweit die Fahrzeugüberlassung umsatzsteuerpflichtig ist.
Der EuGH verneinte die Vorlagefrage
mit Urteil vom 20.01.2021 (C-288/19) und entschied, dass eine Vermietung
eines Beförderungsmittels gem. Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL nur dann anzunehmen ist, wenn ein Mietzins
gezahlt wird.
Das FG leitete hieraus ab, dass im Streitfall mangels Mietzinses keine Vermietung vorliege.
In der Folge entschied das FG, dass die Überlassung nicht in Deutschland steuerbar ist. Dagegen legte das Finanzamt Revision
ein.
Der Revision des Finanzamtes gab der BFH
nun in dem vorliegenden Urteil statt, mit der Begründung, dass auch eine Arbeitsleistung ein Mietzins sein kann. Das FG habe in seinem Vorabentscheidungsersuchen den tauschähnlichen Umsatz unerwähnt gelassen. Der BFH hat mit Urteil vom 30.06.2022 (Az. VR 25/21) das Urteil des FG Saarlands aufgehoben.
2. Urteilssachverhalt
Die Klägerin, eine S.A. in Luxemburg, stellte zwei Arbeitnehmern einen Dienstwagen zur Verfügung, welchen sie auch privat nutzen konnten. Beide Arbeitnehmer waren wohnhaft im Saarland. Arbeitnehmer A leistete eine Eigenbeteiligung von 5.688 €, Arbeitnehmer B hingegen erhielt den Dienstwagen unentgeltlich. Das Finanzamt ging von umsatzsteuerbaren und -pflichtigen Leistungen der S.A. in Deutschland aus und legte den sich nach der 1 %-Methode ergebenden Wert zugrunde.
Das FG verneinte hinsichtlich der Dienstwagenüberlassung an Arbeitnehmer B die Frage, ob ein steuerbarer Umsatz im Inland vorliegt. Es handelte sich nicht um die Vermietung eines Beförderungsmittels, da B kein Entgelt an die S.A. zahlte, weder direkt noch im Wege der Gehaltsumwandlung. Damit befand sich der Ort der Leistung gem. § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG nicht in Deutschland. Es handelte sich nach der Auffassung des FG um eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9a UStG, die gem. § 3a Abs. 1 UStG am Ort der S.A. und damit in Luxemburg erbracht wurde.
Die Dienstwagenüberlassung an Arbeitnehmer A der eine Eigenbeteiligung leistete, wurde hingegen als nicht nur kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels vom FG angesehen. Damit befand sich der Ort der Leistung in Deutschland gem. § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG. Die Umsatzsteuer war aus der von A geleisteten Eigenbeteiligung herauszurechnen. Die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG war nicht anzuwenden, da dies nur erfolgt, wenn die Leistung im Fall ihrer Unentgeltlichkeit steuerbar wäre.
Für die Bestimmung des Ortes der unentgeltlichen Überlassung legte das FG dem EuGH die Frage vor, ob die Ortsbestimmung für die Vermietung auch für die Überlassung gelte, wenn der Arbeitgeber für die Überlassung keine Geldsumme einbehält, der Arbeitnehmer kein Entgelt entrichtet oder den Dienstwagen nicht aufgrund einer Vereinbarung und eines Verzichts auf andere Vorteile wählen kann. Die Vorlagefrage betraf die Auslegung des Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL, den der deutsche Gesetzgeber mit § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG umgesetzt hat.
Der EuGH hatte daraufhin mit Urteil vom 20.1.2021 entschieden, dass eine Vermietung eines Beförderungsmittels gem. Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL nur dann anzunehmen ist, wenn ein Mietzins gezahlt wird. Der EuGH
hatte aber nicht entschieden, ob ein tauschähnlicher Vorgang
vorlag, da das FG des Saarlands diese Frage in der Vorlagenfrage nicht mit aufgenommen hatte.
Das FG des Saarlands hatte hieraus abgeleitet, dass im Streitfall mangels Mietzinses keine Vermietungsleistung vorliege und entschied, dass die Überlassung nicht in Deutschland steuerbar ist. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein.
3. BFH Urteil vom 30.06.2022 (Az. VR 25/21)
Dem Urteil des FG widersprach nun der BFH mit der Begründung, dass auch
eine Arbeitsleistung
ein Mietzins
sein kann. Nach Auffassung des BFH kommt es darauf an, ob ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen der Dienstwagenüberlassung und der Arbeitsleistung besteht. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Überlassung individuell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wurde.
So verhält es sich nach Auffassung des BFH auch in dem entschiedenen Fall, da eine arbeitsvertragliche Vereinbarung vorliegt. Die Überlassung eines Dienstwagens stellt einen tauschähnlichen Umsatz
dar, da die Nutzungsmöglichkeit bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Grund dafür ist, warum der Arbeitnehmer das konkrete Beschäftigungsverhältnis angetreten hat. Der Ort der umsatzsteuerpflichtigen Leistung
befindet sich daher nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG in Deutschland.
III. Ausblick und Auswirkung auf die Praxis
Der BFH bestätigte noch einmal die Sichtweise des EuGHs und entschied, dass die Dienstwagenüberlassung
als tauschähnlicher Vorgang
anzusehen ist. Die aus dem EuGH Urteil vom 20.01.2021 zu ziehenden Schlüsse hinsichtlich der Entgeltlichkeit einer Nutzungsüberlassung an Arbeitnehmer sind daher weiter anzuwenden. Die Entscheidung bestätigt die Ansicht der Finanzverwaltung dahingehend, dass die entgeltliche Dienstwagenüberlassung eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag erfordert und ein bloßer Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis nicht ausreichend ist.
In der Praxis ist daher regelmäßig zu prüfen, ob eine Nutzungsüberlassung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag geregelt ist und ob diese einen Teil der Vergütung darstellt
oder ob ein Gehaltsverzicht
vorliegt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Nutzungsüberlassung als tauschähnlicher Vorgang anzusehen und der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
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