I. Auf einen Blick
Für das Veranlagungsjahr 2022
sind die Steuererklärungen in beratenen Fällen bis zum 31. Juli 2024
elektronisch bei dem zuständigen Finanzamt einzureichen.
Es gibt Steuerpflichtige, die aufgrund ihrer Einkunftsart verpflichtet sind eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Zur Abgabe verpflichtet sind u. a.:
- Ehepaare, bei denen beide Arbeitslohn erhalten und teilweise oder für das gesamte Kalenderjahr die Steuerklassenkombination 3 und 5 bestanden hat,
- Arbeitnehmer/-innen, sofern sie Lohnersatzleistungen (z. B. Kurzarbeitergeld, Elterngeld) bezogen haben,
- Steuerpflichtige, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von mehr als EUR 410,00 erzielen.
Das Steuerrecht ist ein Rechtsgebiet, welches fortlaufend geändert wird. Im Folgenden sind einige grundsätzlichen Änderungen aufgeführt, die für die Einkommensteuererklärung 2022 relevant sein können, wie beispielsweise geänderte Pauschbeträge.
II. Neuregelungen, Änderungen und Anpassungen im Detail
a. Verspätungszuschläge seit dem Veranlagungszeitraum 2021
Liegt die Steuererklärung in beratenen Fällen nicht bis zum 31. Juli 2024 beim Finanzamt vor, wird das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzen. Es besteht kein Ermessungsspielraum. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags erfolgt automatisch. Bei vorzeitig angeforderter Steuererklärung ist davon auszugehen, dass der Verspätungszuschlag bereits festgesetzt wird, sofern die Steuererklärung nicht fristgerecht (bis zum Anforderungstermin) eingereicht wird.
Im Extremfall kann die Finanzverwaltung die verspätet abgegebene Steuererklärung, insbesondere wenn diese bereits im Vorjahr/in Vorjahren verspätet eingereicht worden ist/sind, als Grundlage für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens verwenden.
b. Werbungskosten-Pauschbetrag
Für nichtselbständig tätige Steuerpflichtige wird der Werbungskosten-Pauschbetrag berücksichtigt, sofern keine höheren Aufwendungen nachgewiesen werden. Dieser Pauschbetrag ist für das Veranlagungsjahr 2022 von EUR 1.000,00 auf EUR 1.200,00 gestiegen.
c. Home-Office-Pauschale
Die Home-Office-Pauschale kann für Tage an denen die berufliche oder betriebliche Tätigkeit ausschließlich in Home-Office ausgeübt wurde für das Veranlagungsjahr 2022 berücksichtigt werden. Pauschal können EUR 5,00 pro Home-Office-Tag, begrenzt auf maximal EUR 600,00 im Kalenderjahr/Wirtschaftsjahr, in Abzug gebracht werden. Die Pauschale kann grundsätzlich bei allen Einkunftsarten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Allerdings wird sie bei Arbeitnehmern nicht zusätzlich zum Werbungskosten-Pauschbetrag gewährt. Wird die Home-Office-Pauschale berücksichtigt, entfällt die Möglichkeit der Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers.
Es gilt zu beachten, dass sich bei einer Home-Office-Tätigkeit Änderungen bei der Firmenwagenbesteuerung sowie Änderungen bei den Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ergeben können.
d. Entfernungspauschale
Weiter wurde die Entfernungspauschale („Pendlerpauschale“) erhöht. Für Strecken zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dürfen Arbeitnehmer ab dem 21. Kilometer EUR 0,38 pro Kilometer geltend machen. Bei den Überschusseinkünften (Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Sonstige Einkünfte) gilt diese Regelung analog. Auch für selbständig tätige Steuerpflichtige gilt diese angehobene Pauschale für Fahrten zu ihrer Betriebsstätte. Für Home-Office Arbeitstage kann keine Entfernungspauschale berücksichtigt werden.
Unterschreitet das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen den Grundfreibetrag, kann gegebenenfalls zusätzlich zu der Entfernungspauschale eine Mobilitätsprämie beantragt werden. Diese beträgt maximal 14 % der erhöhten Entfernungspauschale.
e. Energiepreispauschale
Die Energiepreispauschale (EPP) beträgt EUR 300,00. Auf die EPP1 haben alle unbeschränkt steuerpflichtigen Personen Anspruch, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder aus einer Beschäftigung als Arbeitnehmer erzielen. Die EPP1 ist grundsätzlich steuerpflichtig. Hierzu ist ein Verfahren beim Finanzgericht Münster (Az. 14 K 1425/23 E) anhängig. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung ausfällt. Somit werden Steuerpflichtige mit niedrigeren Einkünften im Ergebnis stärker entlastet als solche mit hohem Einkommen.
Regelmäßig wurde die EPP1 an Arbeitnehmer bereits mit dem Arbeitslohn vom Arbeitgeber ausbezahlt. Dies ist auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung durch den Großbuchstaben E ersichtlich. Sofern Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt wurden, soll die EPP1 automatisch in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt und im Rahmen der Festsetzung ausbezahlt werden. In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem kurzfristigen/geringfügigen Beschäftigungsverhältnis oder einer Aushilfstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft kann die EPP1 im Rahmen der Anlage Sonstiges beantragt werden.
Rentner und Versorgungsbeziehende haben grundsätzlich Anspruch auf die EPP2, die regelmäßig bereits durch die Deutsche Rentenversicherung ausgezahlt wurden.
f. Photovoltaikanlage
Neu ist im Gesetz die Steuerfreiheit für bestimmte Photovoltaikanlagen. Hierunter fallen folgende Anlagen:
- Anlagen auf/an/in Einfamilienhäusern, Nebengebäuden und nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden bis zu einer Bruttoleistung von 30 kw (peak) lt. Marktstammdatenregister,
- Anlagen auf/an/in sonstigen Gebäuden mit einer maximalen Bruttoleistung pro Wohn- oder Gewerbeeinheit von 15 kW (peak) lt. Marktstammdatenregister.
Insgesamt darf die Leistung 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen/Mitunternehmerschaft für die Steuerfreiheit nicht übersteigen. Die Anwendung der Regelung ist verpflichtend und nicht als Wahlrecht ausgestaltet. Insbesondere ist sie auch für Altfälle, d. h. Anlagen, die vor 2022 in Betrieb genommen worden, anzuwenden.
g. Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten
Immer mehr Krankenkassen zahlen einen Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten. Bis zum 31. Dezember 2023 ist ein Betrag von bis zu EUR 150,00 pro versicherter Person steuerlich unbeachtlich. Sind höhere Zahlungen an den Steuerpflichtigen geleistet worden, ist eine individuelle Einordnung erforderlich.
h. Verlustrücktrag
Des Weiteren ist für 2022 ein Verlustrücktrag bis EUR 10 Mio. bzw. bei Zusammenveranlagung EUR 20 Mio. möglich. Allerdings wurde die Möglichkeit des teilweisen Verlustrücktrags aus Verwaltungsvereinfachungsgründen gestrichen. Der ab 2022 entstehende Verlust kann nur noch ganz oder gar nicht als Verlustrücktrag berücksichtigt werden. Entscheiden Sie sich gegen der Verlustrücktrag, wird der Verlust wie gewohnt, vorgetragen.
i. Verzinsung
Eine Verzinsung der Steuernachzahlung bzw. –erstattung entsteht, wenn zwischen dem gesetzlich festgelegten Steuerentstehungszeitpunkt und dem festgesetzten Steuerfälligkeitsanspruch ein längerer Zeitraum liegt. In der Vergangenheit wurden Steuernachzahlungen bzw. -erstattungen mit 6 % jährlich verzinst. Die Höhe der Verzinsung wurde auf 1,8 % pro Jahr angepasst und gilt rückwirkend für alle Steuernachzahlungen und –erstattungen, die nach dem 1. Januar 2019 festgesetzt werden. Für den Veranlagungszeitraum 2022 beginnt der Zinslauf regelmäßig am 1. September 2024.
Um die Verzinsung insbesondere von Einkommensteuer-Nachzahlungen zu vermeiden, wurde nun im Gesetz normiert, dass „freiwillige“ Zahlungen vor Fälligkeit vom Finanzamt regelmäßig zu akzeptieren sind. Voraussetzung ist die Erkennbarkeit der in naher Zukunft fälligen Steuerschuld. Das Finanzamt ist explizit nicht als Sparkasse zu missbrauchen.
j. Weitere Hinweise
Insbesondere sind folgende Neuerungen/Änderungen bereits mit dem Veranlagungszeitraum 2021 in Kraft getreten:
- Spendennachweis bis EUR 300,00 mittels Kontoauszug möglich,
- Anpassung des Behinderten-Pauschbetrags – Berücksichtigung der Behinderung ab einem Grad von 20%,
- Pflege-Pauschbetrag ab dem Pflegegrad 2,
- Steuerliche Abschreibung von Computerhard- und -software über eine Nutzungsdauer von einem Jahr (Pflichtanwendung für Überschusseinkünfte; Wahlrecht bei Gewinneinkünften).
Des Weiteren ist erhaltenes Kurzarbeitergeld/Arbeitslosengeld, das im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gezahlt worden ist, in der Steuererklärung zu erklären. Dies kann zu einer höheren Steuerbelastung führen.
III. Auswirkungen auf die Praxis
Sofern Sie Ihren Steuerberater mit der Deklaration beauftragen, sollten Sie diesem frühzeitig die Unterlagen einreichen, damit eine fristgerechte Abgabe der Einkommensteuererklärung 2022 erfolgen kann und Verspätungszuschläge oder im Extremfall die Einleitung eines Strafverfahrens vermieden werden kann. Haben sich gegenüber den Vorjahr Änderungen ergeben oder sind Sie sich nicht sicher, ob ein bestimmter Sachverhalt in der Einkommensteuererklärung zu berücksichtigen ist, sprechen Sie Ihren Steuerberater an.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.