Damit ein Darlehen unter nahen Angehörigen steuerlich anzuerkennen ist, muss dieses fremdüblich
ausgestaltet werden. Die zinslose Darlehensgewährung
an Familienmitglieder
oder Freunde
stellt in der Praxis – insbesondere auch in der Nachfolgeberatung mit Blick auf die Steuerfreibeträge – ein zunehmend verkanntes schenkungsteuerliches Risiko
dar. Häufig wird schlichtweg von den Steuerpflichtigen übersehen, dass auch der Verzicht auf die angemessene Verzinsung
einer Darlehensforderung bereits eine freigebige Zuwendung
an den Darlehensnehmer darstellt, welche, sollten die schenkungsteuerlichen Freibeträge überschritten sein, auch zu einer Festsetzung von Schenkungsteuer führt. In diesem Zusammenhang hat jüngst auch das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 26. Januar 2022 (Az. 4 K 272/21 – Erb), zum einen mit Blick auf die Ermittlung des schenkungsteuerlichen Zinsvorteils als auch hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des typisierten Zinssatzes i. H. v. 5,5 %, für Zwecke der schenkungsteuerlichen Wertermittlung, entschieden.
I. Auf einen Blick
Die Gewährung eines zinslosen Darlehens stellt regelmäßig eine freigebige Zuwendung
i. S. d. §§ 1 Nr. 2, 7 Nr. 1 ErbStG dar. Dabei ist Gegenstand der Zuwendung die unentgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit des Kapitals, welches als Darlehen überlassen wurde. Die Ermittlung des Steuerwertes der unverzinslichen Kapitalforderung von unbestimmter Dauer finden grundsätzlich standardisiert durch die Kapitalisierung des Jahreswertes
mit dem Multiplikator i. H. v. 9,3 statt. Dabei ist der Jahreswert einer unverzinsten Kapitalforderung – wenn kein anderer Wert feststeht
– zwar grundsätzlich mit 5,5 % anzusetzen, gleichwohl findet dieser aufgrund der Begrenzung des Jahreswertes mit dem durch 18,6 geteilte Nennwert der Forderung nach Auffassung des FG Düsseldorf regelmäßig keine Anwendung (vgl. § 12 Abs. 1 u. 3 BewG i. V. m. § 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG i. V. m. § 15 Abs. 1 BewG i. V. m. § 16 BewG). Dem Steuerpflichtigen bleibt darüber hinaus die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren marktüblichen Zinssatzes. Dieser sollte jedoch in der Praxis bereits steuerplanerisch im Vorhinein durch ein individuelles Kreditangebot einer Bank zu identischen Konditionen belegt und für Dokumentationszwecke mit der Finanzverwaltung aufbewahrt werden. Darüber hinaus ist insbesondere dem steuerlichen Berater ein besonderer Fokus auf dergleichen Sachverhalte im Rahmen der Nachfolgeplanung – insbesondere mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Steuerfreibeträge – zu raten.
II. Im Detail
a. Urteilssachverhalt
Streitgegenständlich war die zinslose Gewährung
eines Darlehens über EUR 110.000 durch einen guten Freund
des Klägers, welche durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung
aufgedeckt wurde. Das Finanzamt schätzte den Zinsvorteil gemäß § 162 AO und setzte die Schenkungsteuer auf EUR 10.860 fest. Der Zinsvorteil in Höhe von EUR 56.265 wurde wie folgt ermittelt: EUR 110.000 * 5,5% * 9,3. Der Kläger hielt den Ansatz des Zinssatzes in Höhe von 5,5 % für Zwecke der Ermittlung des Jahreswertes der Nutzung sowohl für verfassungsrechtlich bedenklich als auch für grundsätzlich zu hoch, unter Verweis auf die marktüblichen Zinssätze
aus Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank mit einer Spannbreite von negativ bis 0,5 %. Darüber hinaus legte der Kläger im Klageverfahren noch die Bestätigung einer Bank vor, ausweislich derer ihm im November 2017 – vorbehaltlich der endgültigen Bewilligung nach abschließender Bonitäts- und Beleihungsprüfung – ein Kreditangebot
über EUR 110.000 zu einem Nominalzinssatz von 1,30 % bei einer Zinsbindung von zehn Jahren gemacht worden sei. Dieser Zinssatz sei nach der Auffassung des Klägers höchstens der Steuerfestsetzung zugrunde zu legen.
b. Entscheidung des Finanzgerichtes
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 26. Januar 2022 (Az. 4 K 272/21 – Erb) in den Leitsätzen wie folgt entschieden:
I. Die Rechtmäßigkeit der Bemessung des schenkungsteuerlichen Jahreswerts eines im April 2017 begebenen zinslosen Darlehens unter Anwendung des Regelzinssatzes von 5,5 % unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln.
II. Der so ermittelte Jahreswert des Nutzungsvorteils ist nach § 16 BewG zu begrenzen, indem die Darlehenssumme durch 18,6
geteilt wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anwendung eines Zinssatzes von 5,5% zur Ermittlung des Jahreswerts des Nutzungsvorteils nicht zu beanstanden. Die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, stellt eine freigebige Zuwendung i. S. d. §§ 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, die nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 Abs. 2Halbsatz 2, 15 Abs. 1 BewG zu bewerten ist (vgl. auch BFH Urteil v. 29.6.2005 – II R 62/03, BStBl II 2005, 800, Rn. 10 ff. u. Rn. 18). Darüber hinaus sei ein niedrigerer Zinssatz
als 5,5 % nur anzuwenden, wenn dieser „feststeht“. Der Vergleichsmaßstab läge nicht bereits mit einem – wie im vorliegenden Fall – unverbindlichen Kreditangebot
vor. Vergleichsmaßstab sei vielmehr der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu (abgesehen von der Zinslosigkeit) vergleichbaren Bedingungen
zu entrichten gewesen wäre
(vgl. auch BFH Urteil v. 27.11.2013 – II R 25/12, BFH/NV 2014, 537, Rn. 23).
Gleichwohl sah das Finanzgericht die Klage insoweit als teilweise begründet an, dass die Bemessung des Jahreswertes
des Nutzungsvorteils
nicht wie durch das Finanzamt vorgenommen durch 5,5% der Geldsumme zu bestimmen ist, sondern der Nutzungsvorteil nach der Sondervorschrift des § 16 BewG zu begrenzen
ist. Dieser regelt, dass bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts der Jahreswert
dieser Nutzungen höchstens
den Wert betragen darf, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird.
Ausgehend vom Steuerwert des überlassenen Wirtschaftsguts – der Geldsumme von EUR 110.000 – ergäbe sich ein Jahreswert von EUR 110.000 / 18,6 = EUR 5.914. Dieser Jahreswert sei nach § 13 Abs. 2 Halbsatz 2 BewG mit 9,3 zu multiplizieren, so dass sich ein Gesamtwert der Nutzung von EUR 5.914 x 9,3 = EUR 55.000 ergibt. Die Differenz
zum vom Finanzamt angesetzten Jahreswert von EUR 110.000 x 5,5 % = EUR 6.050 resultiere daraus, dass der von zuvor 18 auf 18,6 angepasste Faktor des § 16 BewG nicht mehr mit dem Zinssatz von 5,5 % abgestimmt worden ist.
Darüber hinaus sah das Finanzgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken
mit Blick auf die Höhe des typisierten Zinssatzes von 5,5 %.
Das Urteil des Finanzgerichtes Düsseldorf ist vorläufig nicht rechtskräftig, da der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung des Sachverhaltes die Revision zum Bundesfinanzhof
zugelassen hat.
III. Ausblick und Auswirkung auf die Praxis
Die Überlassung zinsloser Darlehen ist nach gefestigter Rechtsprechung hinsichtlich des gewährten Zinsvorteils unzweifelhaft eine freigebige Zuwendung. Wenn keine Laufzeit vereinbart wurde, wird der Zinsvorteil grundsätzlich auf der Basis eines Zinssatzes von 5,5 % und dem Faktor 9,3 ermittelt. Darüber hinaus ist – argumentativ positiv für den Steuerpflichtigen – auf die Begrenzungsvorschrift des § 16 BewG zu verweisen, wonach der Jahreswert der Nutzung höchstens der durch 18,6 geteilte Wert des Wirtschaftsgutes sein darf. Wenngleich die relative Differenz zu 5,5% lediglich 0,12% ausmacht (100/18,6 = 5,38 %) ist die Klarstellung des Finanzgericht Düsseldorf an dieser Stelle zu begrüßen. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes in dieser Sache bleibt abzuwarten.
Ob ein Zinsverzicht tatsächlich auch Schenkungssteuer auslöst, liegt zum einen an der im Verwandtschaftsverhältnis begründeten Steuerklasse
des § 15 ErbStG sowie den damit einhergehenden (noch nutzbaren) Steuerfreibeträgen
der § 16 ErbStG. Erst dann, wenn aufgrund der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG die Summe der Zinsen, auf die verzichtet wurde, den vorhandenen Freibetrag übersteigt, fällt Schenkungsteuer an.
Für Zwecke der Dokumentation und der Verhinderung zu hoher schenkungssteuerlicher Beträge, ist dem Steuerpflichtigen somit vorsorglich zur Einholung eines individuellen Darlehensangebotes einer Bank
zu raten, welches die exakte Bestimmung eines fremdüblichen Darlehenszinses, bei mit Ausnahme der Zinslosigkeit sonst identischen Darlehensbedingungen, ermöglicht.
Abschließend muss auch mit Blick auf den Darlehensgeber
darauf hingewiesen werden, dass auch dieser, als Schenker, Schuldner der Schenkungsteuer
ist (§ 20 Abs. 1 ErbStG). Kann der Darlehensnehmer die Schenkungsteuer nicht zahlen, besteht für den Darlehensgeber das Risiko, dass er die anfallende Schenkungsteuer übernehmen muss. Die Übernahme der Schenkungssteuer selbst stellt ebenfalls wieder eine freigebige Zuwendung an den Beschenkten dar und unterliegt ihrerseits der Schenkungssteuer (§ 10 Abs. 2 ErbStG).
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