I. Überblick
Bis zum 31. Januar 2023 mussten alle Grundsteuererklärungen für Zwecke der Neubewertung eingereicht werden. Bewertungsstichtag ist der 1. Januar 2022. Gleichwohl trifft den Steuerpflichtigen künftig auch eine Pflicht zur Anzeige von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse
im Immobilienbestand nach dem 1. Januar 2022. Der Steuerpflichtige muss demnach bis zum 31. Januar 2024
(länderspezifisch ggfs. bis zum 31. März 2024) prüfen, ob sich im vorangegangen Kalenderjahr anzeigepflichtige Änderungen
in den tatsächlichen Verhältnissen
des Immobilienbestandes ergeben haben, die sich auf den Grundsteuerwert auswirken. Die Pflicht zu Anzeige der Änderung kann auch durch das Einreichen einer geänderten Grundsteuererklärung erfüllt werden. Bei verspäteter Abgabe der Anzeige können Verspätungszuschläge und ggfls. sogar straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren drohen.
II. Im Detail
1. Die neuen Anzeigepflichten
Bis dato sah das alte Grundsteuerrecht, einhergehend mit dem Bewertungsgesetz, keine individuellen Anzeigepflichten für den Steuerpflichtigen vor. Die Feststellungserklärungen waren, bzw. sind bis einschließlich 2024 lediglich nach Aufforderung durch das Finanzamt einzureichen. Künftig wird jedoch eine Anzeigepflicht
nach § 228 Abs. 2 BewG ausgelöst, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern
und sich die Änderungen auf die Höhe des Grundsteuerwertes
auswirken (§ 230 BewG). Entsprechendes gilt bei Auswirkungen auf die Vermögensart
(§ 218 BewG) oder die Grundstücksart
(§ 249 BewG). Ob im Falle von wertrelevanten Änderungen die Fortschreibungsgrenze i. H. v. 15.000 Euro
erreicht wird (§ 222 Abs. 1 BewG), ist für das Bestehen der Anzeigepflicht ohne Bedeutung. Das Gesetz knüpft die Anzeigepflicht allein an die tatsächliche Veränderung
und ihre Relevanz für die Höhe des Grundsteuerwertes an, nicht an die konkrete Fortschreibungsrelevanz. Die Anzeigepflicht erfasst dem Wortlaut nach auch solche Umstände, die zu einer Minderung des Grundsteuerwertes führen.
Konkreter Handlungsbedarf
besteht demnach, sofern die Änderung erklärungsrelevant ist, d. h. zu einer
- Nachfeststellung,
- Neuveranlagung,
- Artfortschreibung,
- Wertfortschreibung oder
- Art- und Wertfortschreibung
bei dem jeweiligen Grundstück führt. Dies kann beispielsweise bei - einem Wechsel der Vermögensart oder der Art des Grundstücks,
- einer Flächenänderungen des Grundstücks oder des Gebäudes oder
- der Fertigstellung oder des Abrisses eines Gebäudes
gegeben sein.
Die Anzeige
ist jeweils auf den Beginn des Kalenderjahres abzugeben, das dem Jahr der Änderung folgt. Die Frist
dazu beträgt regelmäßig einen Monat
und beginnt mit dem Kalenderjahr, für das die Anzeige abzugeben ist (§ 228 Abs. 2 Satz 3 BewG). In den jeweiligen Ländermodellen
Bayern, Hamburg und Niedersachsen müssen Anzeigen bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres
abgegeben werden (vgl. dazu insbesondere § 8 Abs. 5 NSGrStG, Art. 6 Abs. 5 BayGrStG und § 6 Abs. 5 HmbGrStG).
2. Erklärungs- und anzeigepflichtige Personen
Die Erklärung
nach § 228 Abs. 1 BewG und die Anzeige
nach § 228 Abs. 2 BewG sind im Regelfall von derjenigen Person abzugeben, der das Grundstück im Feststellungszeitpunk wirtschaftlich zuzurechnen ist, also grundsätzlich dem wirtschaftlichen Eigentümer. Das wirtschaftliche Eigentum begründet sich regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten und somit vor Übergang des zivilrechtlichen Eigentums (Grundbucheintrag).
Besonderheiten
– und insbesondere spezielle Mitwirkungspflichten
– gibt es bei Erbbaurechtsgrundstücken
und Grundstücken auf fremden Grund und Boden. Da in Erbbaurechtsfällen das Grundstück dem Erbbauberechtigten zugerechnet wird, ist folgerichtig der Erbbauberechtigte verpflichtet, die Feststellungserklärung oder Anzeige abzugeben. Der Erbbauverpflichtete hat an der Erklärung oder Anzeige mitzuwirken. Bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, die Steuererklärung oder Anzeige abzugeben. Der wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes hat mitzuwirken (vgl. § 228 Abs. 3 BewG sowie A 228 Abs. 3 AEBewGrSt).
Ist der Erklärungs- oder- Anzeigepflichtige zwischenzeitlich verstorben, trifft die Pflicht zur Abgabe der Erklärung oder Anzeige bzw. zur Berichtigung der selbigen (z. B. gem. § 153 Abs. 1 AO) den Erben
oder ggfls. den Testamentsvollstrecker
bzw. den Nachlasspfleger.
3. Elektronische Abgabepflicht
Die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte und die Anzeigen über die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sind elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz
durch Datenfernübertragung an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu übermitteln (§ 228 Abs. 4-6 BewG). Örtlich zuständig ist das jeweilige Lagefinanzamt
(§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO). Nur auf Antrag und zur Vermeidung unbilliger Härten
kann das Finanzamt auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Als Befreiungsgründe kommen insbesondere in Betracht, wenn die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (§ 150 Abs. 8 AO).
Gegenwärtig existiert für die Änderungsanzeige der amtliche Erklärungsvordruck „Grundsteuer-Änderungsanzeige GW-5“ ausschließlich in Papierform. Gleichwohl hat das Bayerische Landesamt für Steuern einheitlich für alle Grundsteuermodelle verkündet, dass die Übermittlung
einer vollständigen Erklärung eine Änderungsanzeige
ersetzt und den empfohlenen und mit den Finanzverwaltungen aller Bundesländer abgestimmten Weg darstellen soll.
4. Berichtigungspflicht
Neben den allgemeinen Erklärungs- und Anzeigepflichten bestehen darüber hinaus die allgemeinen verfahrensrechtlichen Berichtigungspflichten
weiterhin fort. Sollte der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennen, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig
oder unvollständig
ist und das es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (§ 153 AO; A 228 Abs. 5 Satz 6 AEBewGrSt) hat er dies unverzüglich anzuzeigen und eine Richtigstellung vorzunehmen.
Wichtig
ist in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass die Korrektur ohne schuldhaftes Zögern
erfolgen muss und regelmäßig nicht erst im Rahmen der Anzeigepflicht
im folgenden Kalenderjahr erfolgen kann. Im Zusammenhang mit der Korrektur von nicht oder falsch abgegebene Erklärungen ist dem Steuerpflichtigen dringend anzuraten, die Korrektur der entsprechenden Sachverhalte von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater prüfen und begleiten zu lassen, um etwaig straf- oder bußgeldrechtliche Konsequenzen
im Blick zu halten und rechtsicher handhaben zu können.
5. Rechtsfolgen bei Nichtabgabe oder Nichtanzeige
Die Erfüllung
der Erklärungs- und Anzeigepflichten ist grundsätzlich seitens der Finanzverwaltung erzwingbar
(§§ 328 ff. AO). Bei Nichterfüllung
oder nicht fristgerechter Erfüllung
ist grundsätzlich ein Verspätungszuschlag
festzusetzen (§ 152 Abs. 1 und 2 AO). Wird eine Erklärung nach Aufforderung dennoch nicht eingereicht, kann das Finanzamt den Grundsteuerwert schätzen
(§ 162 AO). Die Verpflichtung zur Abgabe
einer Erklärung wird dadurch aber nicht berührt
(§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO).
Ungeachtet dessen kann das vorsätzliche oder leichtfertige Versäumnis der Abgabe- oder Anzeigepflichten straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren nach sich ziehen und zu nicht unerheblichen Strafen des Steuerpflichtigen führen.
III. Auswirkungen auf die Praxis
Künftig werden alle Steuerpflichtige mit Grundvermögen regelmäßig prüfen müssen, ob und wenn ja in welchem Umfang, sich Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse seit dem letzten Feststellungszeitpunkt ergeben haben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich diese auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken oder es zu einer erstmaligen Feststellung kommt. Sollten dergleichen Änderungen zu konstatieren sein, sind die vorstehend skizzierten Erklärungs- und Anzeigepflichten zu beachten.
Steuerpflichtige mit großen Grundvermögen ist daher zu einer Implementierung eines eigenen Prüfungspunktes für Zwecke der Überwachung etwaiger grundsteuerlicher Erklärungs- oder Anzeigepflichten im Tax-Compliance-Management-System
zu raten.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.