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Gemeinschaftskonto/-depot: Die verkannte Schenkungsteuerfalle? (Stand: 8/2022)

Dr. Tobias von Cölln • 26. August 2022

Gemeinschaftskonto/-depot: Die verkannte Schenkungsteuerfalle? 


I. Einleitung
  
Ein gemeinsames Konto von Ehegatten oder Lebenspartnern i. S. d. LPartG wird in der Praxis regelmäßig als Oder-Konto geführt werden (im Folgenden wird vom Eheleutekonto gesprochen, die Rechtsfolgen erfassen gleichwohl auch Konten von Lebenspartner i. S. d. LPartG). Kommt es zu einer Einzahlung eines Ehegatten auf dieses Konto, kann es sich hierbei gegebenenfalls um eine freigiebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handeln, die den Grundsätzen der Schenkungsteuer unterliegt. Die Feststellungslast, dass – aufgrund von im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarungen – keine Schenkung vorliegt, obliegt den Ehegatten, wenn es hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind. Gleichwohl reicht eine bloße Einzahlung auf das gemeinsame Konto regelmäßig noch nicht aus, um eine Schenkung anzunehmen. Vielmehr muss der andere Ehegatte die eingezahlten Beträge auch für sich verwenden. Die Feststellungslast dafür trifft die Finanzverwaltung.

II. Auf einen Blick

Eine in der Praxis allgegenwärtiger Sachverhalt wie das Eheleutekonto in Form eines Oder-Kontos wird steuerlich häufig vollständig unterschätzt. Immer wieder greifen Finanzbehörden gerade bei Gutverdienern wie Freiberuflern, Unternehmern oder Führungskräften das Thema „Oder-Konto bei Ehegatten“ auf. Kommt es dabei zu über den regelmäßigen Familienunterhalt hinausgehende Einzahlungen zum Beispiel aufgrund von hohen Zahlungen für einen Ehegatten aus Erbschaften, Lebensversicherungen, Tantiemen, Boni, Abfindungen, Veräußerungsgewinnen oder Gewinnausschüttungen, sieht die Finanzverwaltung häufig den anderen Ehepartner als hälftig beschenkt. Als Schenkung gilt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch diese auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Die Rechtsprechung wollte hingegen in der Vergangenheit nicht per se bei der Überweisung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto eine Schenkung an den anderen Ehegatten annehmen, sondern auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abstellen. Zwar wird in solchen Fällen regelmäßig zunächst eine Schenkung zu vermuten sein, gleichwohl kann diese Vermutung aber durch überzeugende Nachweise auch widerlegt werden. Die Führung eines solchen Nachweises (sog. Klarstellungsvereinbarung) bedarf es insbesondere getrennt für die Vergangenheit sowie aber auch für die Zukunft. Darüber hinaus müssen sich die getroffenen Vereinbarungen auch im tatsächlich gelebten Sachverhalt widerspiegeln.

III. Im Detail

Gemeinschaftskonten/-depots können in zwei Konto-/Depotformen geführt werden: Sogenannte „Und-Konten“ bzw. „Und-Depots“, bei denen die Berechtigten nur gemeinsam über das Guthaben verfügen können, oder sogenannte „Oder-Konten“ bzw. „Oder-Depots“, bei denen die Berechtigten jeweils einzeln verfügen können.

Mit Blick auf das Oder-Konto von Eheleuten, einhergehend mit den dort täglich vollzogenen Vermögensverschiebungen stellt sich steuerrechtlich stets die Frage, ob darin im Einzelfall auch eine steuerpflichtige Schenkung liegen kann. Gehaltseingänge eines Ehepartners auf ein gemeinschaftliches Gehaltskonto, von dem typischerweise die Lebenshaltung bestritten wird, stellen regelmäßig keine freigebige Zuwendung an den Ehegatten dar, sondern dienen der Erfüllung der durch die Ehe bedingten gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung (§ 1360 BGB). Etwas Anderes kann aber bei einem deutlich über das für das üblicher Weise notwendige Maß hinausgehende Kontoguthaben gelten. Insbesondere wenn dieses dem anderen Ehegatten zur Vermögensbildung zugänglich ist, denn der gesetzliche Unterhaltsanspruch dient der Deckung des ehelichen Lebensbedarfs, nicht aber der Teilhabe am Vermögen des anderen Ehegatten, auch nicht für Zwecke der (gemeinsamen) Altersvorsorge.

Die Finanzverwaltung vermutet zunächst bei Gemeinschaftskonten, dass diese grundsätzlich beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zuzurechnen sind, unabhängig von originären der Herkunft des Geldes. Demnach wäre jede Einzahlung die ausschließlich durch oder für einen Ehepartner auf das Gemeinschaftskonto erfolgt, dem Grunde nach eine Schenkung an den anderen Ehepartner, da dieser rechtlich gesehen die Hälfte des Kontoguthabens beanspruchen und faktisch über diese verfügen kann. Die Hälfte der von einem Ehegatten eingezahlten Beträge wird somit regelmäßig als Schenkung an den anderen Ehegatten behandelt. Etwas Anderes könne nur gelten, wenn die Beteiligten eine abweichende Vereinbarung getroffen haben und dies nachweisen können. 

Kritisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Festsetzungsfrist bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO). Regelmäßig wird somit Schenkungsteuer auch für lange zurückliegende Vorgänge festgesetzt. 

Sowohl der Bundesfinanzhof (BFH) als auch der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden in der Vergangenheit jedoch in solchen Fällen dahingehend, dass es grundsätzlich nicht auf die zivilrechtliche Vermutung für die Kontoaufteilung ankommt, sondern die tatsächliche Handhabung der Ehepartner im Innenverhältnis ausschlaggebend ist. So soll bei einer intakten Ehe davon ausgegangen werden können, dass die Ehegatten aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung, Zweck und Handhabung abweichend der gesetzlichen Regelungen des § 430 BGB (die mit der Ausgleichungspflicht der Gesamtgläubiger einhergehende Teilung des Kontovermögens) bestimmt haben. Demnach soll eine Bereicherung des anderen Ehepartners nur vorliegen, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist (BFH Urteil 23. November 2011, II R 33/10, Rn. 21). Beispielsweise kommt es darauf an, ob die Einzahlung auf das Gemeinschaftskonto zur Verwendung für den gemeinsamen Lebensunterhalt dient, oder ob eine Zuwendung an den anderen Ehegatten zur eigenen Vermögensbildung oder eigenen Schuldentilgung dient. Die Beweislast hierfür liegt jedoch beim Finanzamt. Dieses muss anhand objektiver Tatsachen eine Schenkung nachweisen. Lediglich der Hinweis auf die Verfügungsbefugnis des Ehegatten über das Kontoguthaben reicht nicht aus, damit von einer tatsächlichen Bereicherung ausgegangen werden kann. Ebenfalls soll eine nur im Einzelfall vorgenommene Verwendung eines Betrages zu eigenen Vermögensbildung durch einen Ehepartner darauf hindeuten können, dass lediglich dieser und nicht der hälftige Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto schenkungsweise überlassen wurde. Insgesamt liegt die Feststellungslast für steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen bei dem Finanzamt. Die Feststellungslast für steuermindernde Tatsachen liegt hingegen bei dem Steuerpflichtigen

Zum Zwecke der Nachweisführung bietet sich daher regelmäßig eine sogenannte Klarstellungsvereinbarung an. Dies gilt insbesondere auch bei größeren Einmalzahlungen. Diese Vereinbarung sollte insbesondere alle betroffenen Konten klar benennen. Darüber hinaus muss die Vereinbarung klarstellen, dass zwischen den Ehegatten zu jedem Zeitpunkt im Innenverhältnis das gemeinsame Verständnis besteht, dass der nicht einzahlende Ehegatte über die Mittel allenfalls nur zur Bestreitung der gemeinsamen ehelichen Lebensführung freie Verfügungsmacht besitzt und, dass im Übrigen keine rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht besteht. Darüber hinaus ist zu regeln, dass bei einer Verfügung des anderen Ehegatten über die jeweiligen Kontoguthaben ohne ausdrückliche Zustimmung oder Weisung des einzahlenden Ehegatten, die über den Rahmen der Haushaltsführung und der allgemeinen gemeinsamen Lebensführung der Familie hinausgehen sollte, der andere Ehegatte zur Rückgewähr der Gelder verpflichtet ist. Ungeachtet von der Form der Vereinbarung muss diese aber auch tatsächlich von den beiden Ehepartnern durch schlüssiges Verhalten „gelebt“ werden, um in etwaigen Streitfällen Bestand haben zu können. Sollten bereits dergleichen kritische Übertragungsfälle in der Vergangenheit stattgefunden haben, gilt es diese mit einer gesonderten Klarstellungsvereinbarung (individuell und für die Vergangenheit) zu erfassen.

Etwas schwieriger wird regelmäßig der Fall eines Oder-Depots gelagert sein. Zwar gelten die vorstehenden Grundsätze für Oder-Konnten auch für Oder-Depots, jedoch ist die Bestimmung der Eigentumslage deutlich schwieriger. Wenn aus dem Kontoguthaben des Eheleutekontos (Oder-Konto) Geld, welches nicht dem ehelichen Lebensunterhalt dient, verwendet wird, um über ein Eheleutedepot (Oder-Depot), Wertpapiere zu erwerben, ist zusätzlich zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden. Regelmäßig kann die reine Einrichtung eines Oder-Depots noch keinen Aufschluss über die tatsächliche Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren geben. Zwar existiert grundsätzlich gem. § 742 BGB („im Zweifel“) eine schwach ausgeprägte Auslegungsregel für gleiche Anteile der Oder-Depotinhaber, welche jedoch nicht zur Anwendung kommen kann, wenn sich aus dem Parteiwillen etwas anderes ergibt oder sie der Sachlage nicht gerecht wird. Auch an dieser Stelle muss zunächst auf mündliche oder schriftliche Vereinbarungen sowie das tatsächliche Verhalten der Eheleute abgestellt werden. 

Ehegatten haben, unabhängig von ihrem gesetzlichen Güterstand, einen steuerlichen Freibetrag für Schenkungen in Höhe von 500.000 Euro innerhalb von 10 Jahren (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Erst mit Überschreiben dieses Freibetrags fällt Schenkungsteuer an. Die obigen Grundsätze gelten natürlich auch für unverheiratete Paare, wenngleich in diesem Fall der steuerliche Freibetrag lediglich 20.000 Euro innerhalb von 10 Jahren beträgt und der anzuwenden Steuersatz wesentlich höher ist.

Problematisch ist dieses Thema insbesondere, wenn es im Rahmen der Vermögensplanung zwischen den Eheleuten „übersehen“ wird und zuvor sicher geglaubte und in die Planung mit einbezogene steuerliche Freibeträge plötzlich für etwaige steuerfreien Vermögensübertragungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die fehlende Anzeige der Vorschenkung wird dann regelmäßig als Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit zu qualifizieren sein. 

IV. Fazit

Vorstehende Ausführungen haben gezeigt, dass bei einer gemeinsamen Kontoführung von Ehepartnern oder Lebenspartnern i. S. d. LPartG mehrere steuerliche Fallstricke existieren, welche gleichwohl – durch eine umsichtige Planung im Voraus – beeinflusst werden können. Wichtig bleibt festzuhalten, dass das Guthaben bei einem Oder-Konto regelmäßig den Ehegatten jeweils zur Hälfte zusteht. Soll etwas Anderes gelten, muss dies eindeutig vereinbart werden. Wenngleich in diesem Zusammenhang eine mündliche Vereinbarung zwischen den Eheleuten an dieser Stelle grundsätzlich ausreichen würde, so ist den Steuerpflichtigen zum Zwecke der Beweisführung gegenüber der Finanzverwaltung dringend anzuraten, bereits mit Eröffnung des Gemeinschaftskontos, spätestens jedoch vor der Einzahlung auf ein Gemeinschaftskonto, eine schriftliche Vereinbarung über die Mittelverwendung zu treffen (Klarstellungsvereinbarung)

Für Fälle in denen es in der Vergangenheit an einer solchen Vereinbarung über die tatsächliche Verwendung im Innenverhältnis gefehlt hat, gilt es einzelfallbezogen etwaige schenkungsteuerpflichtige Sachverhalte zu prüfen und gegenüber der Finanzverwaltung offenzulegen. Ist eine Schenkung zwischen den Ehegatten für die Vergangenheit anzunehmen, kann im Einzelfall neben der Nutzung der persönlichen schenkungsteuerlichen Freibeträge auch eine rückwirkende Bereinigung der Situation durch einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch in Frage kommen (sog. „Güterstandschaukel“). Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Schenkung im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Ferner ist auch dieser Weg nicht ohne steuerliche Fallstricke und sollte stets entsprechend vorbereitet werden. Insbesondere ist gegenwärtig häufig strittig, ob die Güterstandschaukel auch auf einen realisierten Straftatbestand der Steuerhinterziehung oder Ordnungswidrigkeitentatbestand wirken kann, weshalb dem Steuerpflichtigen in dieser Sache stets die Prüfung der Möglichkeit einer parallelen Selbstanzeige anzuraten sein wird.


Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.  

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Dr. Tobias von Cölln, Steuerberater, Zertifizierter Berater für Kryptowerte und Steuern (WIRE)

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von Dr. Tobias von Cölln und Mario Krämer 17. Mai 2024
I. Überblick Bis zum 31. Januar 2023 waren alle Grundsteuererklärungen für Zwecke der Neubewertung einzureichen. Bewertungsstichtag ist der 1. Januar 2022. Gleichwohl trifft den Steuerpflichtigen künftig auch eine Pflicht zur Anzeige von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse im Immobilienbestand nach dem 1. Januar 2022. Der Steuerpflichtige musste demnach grundsätzlich bis zum 31. Januar 2024 (länderspezifisch ggfs. bis zum 31. März 2024) prüfen, ob sich im vorangegangen Kalenderjahr anzeigepflichtige Änderungen bei den tatsächlichen Verhältnissen des Immobilienbestandes ergeben haben, die sich auf den Grundsteuerwert auswirken. Aber : Die Frist zur Anzeige von Änderungen wurde insbesondere für die Bundesländer, welche das Bundesmodell für die Grundsteuer verwenden sowie für die Bundesländer Hessen, Bayern und Niedersachsen auf den 31. Dezember 2024 verlängert . Die Pflicht zu Anzeige der Änderung kann demnach auch noch durch das Einreichen einer geänderten Grundsteuererklärung erfüllt werden. Bei verspäteter Abgabe der Anzeige können Verspätungszuschläge und ggfs. sogar straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren drohen. Die neue Grundsteuer wird erst ab dem kommenden Jahr (2025) erhoben. Die Höhe der Hebesätze ist jedoch weitestgehend noch unklar. Viele Kommunen rechnen noch. Hamburg hat nun jüngst beschlossen, die bisherigen Hebesätze zunächst beizubehalten, Berlin senkt diese sogar. II. Im Detail 1. Die neuen Anzeigepflichten Bis dato sah das alte Grundsteuerrecht, einhergehend mit dem Bewertungsgesetz, keine individuellen Anzeigepflichten für den Steuerpflichtigen vor. Die Feststellungserklärungen waren, bzw. sind bis einschließlich 2024 lediglich nach Aufforderung durch das Finanzamt einzureichen. Künftig wird jedoch eine Anzeigepflicht nach § 228 Abs. 2 BewG ausgelöst, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern und sich die Änderungen auf die Höhe des Grundsteuerwertes auswirken (§ 230 BewG). Entsprechendes gilt bei Auswirkungen auf die Vermögensart (§ 218 BewG) oder die Grundstücksart (§ 249 BewG). Ob im Falle von wertrelevanten Änderungen die Fortschreibungsgrenze i. H. v. 15.000 Euro erreicht wird (§ 222 Abs. 1 BewG), ist für das Bestehen der Anzeigepflicht ohne Bedeutung . Das Gesetz knüpft die Anzeigepflicht allein an die tatsächliche Veränderung und ihre Relevanz für die Höhe des Grundsteuerwertes an, nicht an die konkrete Fortschreibungsrelevanz. Die Anzeigepflicht erfasst dem Wortlaut nach auch solche Umstände, die zu einer Minderung des Grundsteuerwertes führen. Konkreter Handlungsbedarf besteht demnach, sofern die Änderung erklärungsrelevant ist, d. h. zu einer Nachfeststellung, Neuveranlagung, Artfortschreibung, Wertfortschreibung oder Art- und Wertfortschreibung bei dem jeweiligen Grundstück führt. Dies kann beispielsweise bei einem Wechsel der Vermögensart oder der Art des Grundstücks, einer Flächenänderung des Grundstücks oder des Gebäudes oder der Fertigstellung oder des Abrisses eines Gebäudes gegeben sein. Die Anzeige ist jeweils auf den Beginn des Kalenderjahres abzugeben , das dem Jahr der Änderung folgt. Die Frist dazu beträgt regelmäßig einen Monat und beginnt mit dem Kalenderjahr, für das die Anzeige abzugeben ist (§ 228 Abs. 2 Satz 3 BewG). In den jeweiligen Ländermodellen Bayern, Hamburg und Niedersachsen müssen Anzeigen bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres abgegeben werden (vgl. dazu insbesondere § 8 Abs. 5 NSGrStG, Art. 6 Abs. 5 BayGrStG und § 6 Abs. 5 HmbGrStG). Aber : Die grundsätzlich geltenden Fristen zur Anzeige von Änderung wurden nun mit dem koordinierten Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder, vom 28. Februar 2024, für Bundesländer, die das so genannte Bundesmodell für die Grundsteuerberechnung zugrunde legen, verlängert (BStBl. I 2024 S. 236). Die Verlängerungen gelten wie folgt: Für im Jahr 2022 eingetretene Änderungen: bisherige Anzeigefrist 31. Januar 2023 - verlängert bis zum 31. Dezember 2024. Für im Jahr 2023 eingetretene Änderungen: bisherige Anzeigefrist 31. Januar 2024 - verlängert bis zum 31. Dezember 2024. Neben den Bundesländern, welche das Bundesmodell für die Grundsteuer anwenden, haben sich zudem weitere Bundesländer für eine Fristverlängerung entschieden. Die Fristverlängerung zur Anzeige von Änderungen ist somit für die Jahre 2022 und 2023 auch in den Bundesländern Hessen, Bayern und Niedersachsen auf den 31. Dezember 2024 verlängert worden. Die Fristen zur Abgabe von Grundsteuer-Änderungsanzeigen nach § 228 Absatz 2 BewG, die sich auf Feststellungszeitpunkte nach dem 1. Januar 2024 beziehen, bleiben unberührt. D. h. im Jahr 2024 eingetretene und noch eintretende Änderungen sind weiterhin bis zum 31. Januar 2025 anzuzeigen. Besondere Vorsicht ist auch bei Änderungen in der Nutzung oder in den Eigentumsverhältnissen geboten, wenn es sich dabei um eine teilweise Befreiung von der Grundsteuer oder vollständige Befreiung von der Grundsteuer handelt. Für diese Änderungen greift die Verlängerung der Frist grundsätzlich nicht . Betreffende Änderungen in der Nutzung oder den Eigentumsverhältnissen sind weiterhin grundsätzlich innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Änderung anzuzeigen (§ 19 Abs. 1 S. 2 GrStG). Lediglich Hessen, Bayern und Niedersachsen verlängern auch Diese Fristen zusätzlich auf den 31. Dezember 2024 und zwar wie folgt: Hessen für anzeigepflichtige Vorgänge deren Frist vor dem 1. Januar 2025 endet und Bayern und Niedersachsen für die Fristen vom 31. März 2023 und vom 31. März 2024. 2. Erklärungs- und anzeigepflichtige Personen Die Erklärung nach § 228 Abs. 1 BewG und die Anzeige nach § 228 Abs. 2 BewG sind im Regelfall von derjenigen Person abzugeben, der das Grundstück im Feststellungszeitpunk wirtschaftlich zuzurechnen ist, also grundsätzlich dem wirtschaftlichen Eigentümer . Das wirtschaftliche Eigentum begründet sich regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten und somit vor Übergang des zivilrechtlichen Eigentums (Grundbucheintrag). Besonderheiten – und insbesondere spezielle Mitwirkungspflichten – gibt es bei Erbbaurechtsgrundstücken und Grundstücken auf fremden Grund und Boden . Da in Erbbaurechtsfällen das Grundstück dem Erbbauberechtigten zugerechnet wird, ist folgerichtig der Erbbauberechtigte verpflichtet , die Feststellungserklärung oder Anzeige abzugeben. Der Erbbauverpflichtete hat an der Erklärung oder Anzeige mitzuwirken. Bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden ist der Grundstückseigentümer verpflichtet , die Steuererklärung oder Anzeige abzugeben. Der wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes hat mitzuwirken (vgl. § 228 Abs. 3 BewG sowie A 228 Abs. 3 AEBewGrSt). Ist der Erklärungs- oder- Anzeigepflichtige zwischenzeitlich verstorben , trifft die Pflicht zur Abgabe der Erklärung oder Anzeige bzw. zur Berichtigung der selbigen (z. B. gem. § 153 Abs. 1 AO) den Erben oder ggfs. den Testamentsvollstrecker bzw. den Nachlasspfleger . 3. Elektronische Abgabepflicht Die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte und die Anzeigen über die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sind elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu übermitteln (§ 228 Abs. 4-6 BewG). Örtlich zuständig ist das jeweilige Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO). Nur auf Antrag und zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Als Befreiungsgründe kommen insbesondere in Betracht, wenn die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (§ 150 Abs. 8 AO). Gegenwärtig existiert für die Änderungsanzeige der amtliche Erklärungsvordruck „Grundsteuer-Änderungsanzeige GW-5“ ausschließlich in Papierform. Gleichwohl hat das Bayerische Landesamt für Steuern einheitlich für alle Grundsteuermodelle verkündet, dass die Übermittlung einer vollständigen Erklärung eine Änderungsanzeige ersetzt und den empfohlenen und mit den Finanzverwaltungen aller Bundesländer abgestimmten Weg darstellen soll. 4. Berichtigungspflicht Neben den allgemeinen Erklärungs- und Anzeigepflichten bestehen darüber hinaus die allgemeinen verfahrensrechtlichen Berichtigungspflichten weiterhin fort. Sollte der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennen, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (§ 153 AO; A 228 Abs. 5 Satz 6 AEBewGrSt) hat er dies unverzüglich anzuzeigen und eine Richtigstellung vorzunehmen. Wichtig ist in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass die Korrektur ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss und regelmäßig nicht erst im Rahmen der Anzeigepflicht im folgenden Kalenderjahr erfolgen kann. Im Zusammenhang mit der Korrektur von nicht oder falsch abgegebene Erklärungen ist dem Steuerpflichtigen dringend anzuraten, die Korrektur der entsprechenden Sachverhalte von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater prüfen und begleiten zu lassen, um etwaig straf- oder bußgeldrechtliche Konsequenzen im Blick zu halten und rechtsicher handhaben zu können. 5. Rechtsfolgen bei Nichtabgabe oder Nichtanzeige Die Erfüllung der Erklärungs- und Anzeigepflichten ist grundsätzlich seitens der Finanzverwaltung erzwingbar (§§ 328 ff. AO). Bei Nichterfüllung oder nicht fristgerechter Erfüllung ist grundsätzlich ein Verspätungszuschlag festzusetzen (§ 152 Abs. 1 und 2 AO). Wird eine Erklärung nach Aufforderung dennoch nicht eingereicht, kann das Finanzamt den Grundsteuerwert schätzen (§ 162 AO). Die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung wird dadurch aber nicht berührt (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO). Ungeachtet dessen kann das vorsätzliche oder leichtfertige Versäumnis der Abgabe- oder Anzeigepflichten straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren nach sich ziehen und zu nicht unerheblichen Strafen führen. 6. Die neuen Grundsteuer-Hebesätze (Hamburg und Berlin haben sich jüngst positioniert) Die neue Grundsteuer wird erst ab dem kommenden Jahr 2025 erhoben. Die Höhe der Hebesätze ist jedoch weitestgehend noch unklar. Viele Kommunen rechnen noch. Der Hamburger Senat hat jüngst am 7. Mai 2024 beschlossen, dass die Hebesätze für die Grundsteuer bei den bisherigen Werten verbleiben sollen. Die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) demnach bei 225 Prozent und die Grundsteuer B (Wohngebäude) bei 540 Prozent. Der Berliner Senat will die Hebesätze ab 2025 von 810 auf 470 Prozent senken und die sogenannte Steuermesszahl zugunsten bewohnter Grundstücke verändern, um eine höhere Belastung von Wohngrundstücken im Vergleich zu gewerblich genutzten oder unbebauten Grundstücken zu vermeiden. Für Wohngrundstücke soll die Steuermesszahl ab dem 1. Januar 2025 nur 0,31 Promille, für andere Grundstücke 0,45 Promille betragen. III. Auswirkungen auf die Praxis Alle Steuerpflichtigen mit Grundvermögen müssen regelmäßig prüfen, ob und wenn ja in welchem Umfang sich Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse einer Immobilie seit dem letzten Feststellungszeitpunkt ergeben haben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich diese auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken oder es zu einer erstmaligen Feststellung kommt. Sollten dergleichen Änderungen zu konstatieren sein, sind die vorstehend skizzierten Erklärungs- und Anzeigepflichten zu beachten. Erleichterungen bringen zunächst die einzelnen Fristverlängerungen auf den 31. Dezember 2024. Künftige Fristen zur Abgabe von Grundsteuer-Änderungsanzeigen nach § 228 Absatz 2 BewG, die sich auf Feststellungszeitpunkte nach dem 1. Januar 2024 beziehen, bleiben unberührt. D. h. im Jahr 2024 eingetretene und noch eintretende Änderungen sind weiterhin bis zum 31. Januar 2025 anzuzeigen. Wichtig : Die letztendlich absolute Belastung des Steuerpflichtigen mit der „neuen“ Grundsteuer ist immer noch ungewiss, da viele Kommunen noch nicht die neuen Hebesätze beschlossen haben. Ab Anfang Januar 2025 gilt die reformierte Grundsteuer. Es wird zurzeit davon ausgegangen, dass in vielen deutschen Städten die Hebesätze steigen werden, insbesondere, da schon in den vergangenen zwei Jahren die Grundsteuer B in den meisten deutschen Kommunen gestiegen ist. Begrüßenswerter weise haben sich der Hamburger und der Berliner Senat zu den neuen Hebesätzen positioniert. So bleiben die Hebesätze in Hamburg unverändert, in Berlin sollen diese sogar deutlich sinken. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Peter Biegler 8. Mai 2024
I. Auf einen Blick Mit dem Urteil des höchsten Finanzgerichts vom 14. November 2023 (Az: IX R 1/12, NV) wird die laufende Rechtsprechung zur Ermittlung von Afa-Bemessungsgrundlagen bestätigt, insbesondere die Senatsurteile vom 3.5.2022 – IX R 22/19. Wesentliche Punkte der Bestätigungen zeigt dieser Betrag auf. Mit dem Urteil aus 2023 wird erneut vom IX. Senat anerkannt, dass mit dem Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die dazugehörigen Wirtschaftsgüter des ertragsteuerlichen Gesamthandsvermögens der Gesellschaft anteilig erworben werden. Die Übernahme von anteiligen Schulden erhöht beim Erwerber den Kaufpreis soweit die Verbindlichkeiten von der Personengesellschaft zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern entfallen, welche abgeschrieben werden können, wie beispielsweise Gebäude. Ferner wurde durch das BFH-Urteil bekräftigt, dass bei dem anteiligen Erwerb von bebauten Grundstücken des ertragsteuerlichen Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft, eine erneute Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten auf Grund und Boden sowie Gebäude erforderlich ist. Hat der Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft seinen Anteil entgeltlich erworben, kann er die Abschreibung auf die anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten beanspruchen. Der Abschreibungssatz richtet sich nach der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs bzw. nach den gesetzlichen Typisierungen. II. Im Detail Beim entgeltlichen Erwerb von Anteilen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, gilt es für den Erwerber zu verstehen, wie sich die künftige Abschreibung bemisst. Hat der Gesellschafter bereits einen Anteil an der Personengesellschaft (im Urteilsfall 20 %), wird die Abschreibung für diesen Anteil nach den bisherigen Grundsätzen fortgeführt. Für den Anteil, welchen der Gesellschafter schon vor dem Hinzuerwerb besessen hat, findet keine Anpassung statt. Nur für den entgeltlich hinzuerworbenen Anteil (im Urteilsfall 70 % vom Vater und 10 % von der Schwester) findet eine Neuberechnung der Abschreibung statt, sofern davon ausgegangen werden kann, dass die Kaufpreiszahlung fremdüblich gewesen ist. Um die Bemessungsgrundlage zu ermitteln, wird auf den Kaufpreis zuzüglich der übernommenen Verbindlichkeiten abgestellt. Die Verbindlichkeiten werden nur herangezogen, wenn mit diesen Verbindlichkeiten von der Personengesellschaft abschreibbare Wirtschaftsgüter wie Gebäude hergestellt bzw. angeschafft wurden. Der um die übernommenen Verbindlichkeiten erhöhte entgeltliche Kaufpreis muss in Bezug auf Immobilienvermögen aufgeteilt werden auf Grund und Boden und abschreibbarem Gebäude, da die Abschreibung nur auf das Gebäude angesetzt werden kann. Für die Abschreibungshöhe wird auf die Restnutzungsdauer abgestellt. Beträgt diese weniger als die standardisierten Abschreibungssätze in § 7 Einkommensteuergesetz von beispielsweise 50 Jahren, bzw. 2 % für Gebäude, können auch höhere Abschreibungen auf Basis einer verkürzten Restnutzungsdauer angesetzt werden. III. Empfehlung Das Urteil wurde im Bundessteuerblatt noch nicht veröffentlicht und ist daher über den entschiedenen Urteilsfall hinaus nicht anzuwenden. Dennoch bestätigt das Urteil wesentliche Punkte der vorherigen im Bundessteuerblatt veröffentlichten Rechtsprechung und lässt sich auf die Praxis übertragen. Mit dem Urteilt wird verdeutlicht, dass vor einem Anteilserwerb eine Prüfung der abschreibungsrelevanten Wirtschaftsgüter dem Grunde und der Höhe nach vorgenommen werden sollte. Hierbei ist es regelmäßig sinnvoll, die steuerliche Analyse vor Abschluss des Vertrages vorzunehmen, um beispielsweise Aufteilungen von Grund und Boden und Gebäude bei Immobilienvermögen bereits im Kaufvertrag festlegen zu können. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Katharina Schmolke und Lara-Sofie Bernert 29. April 2024
Neben ertragsteuerlicher Besonderheiten die Influencer, Streamer, YouTuber und Blogger (nachfolgend Influencer) beachten müssen, ist auch das Thema Umsatzsteuer von großer Bedeutung. Im zweiten Teil unserer Tax-Basics-Reihe befassen wir uns daher mit den Leistungen von Influencern und deren umsatzsteuerlicher Behandlung. I. Grundlegendes Wann gilt ein Influencer als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ? Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Dafür ist die Absicht Einnahmen zu erzielen ausreichend. Anders als im Ertragssteuerrecht, hier wird eine Gewinnerzielungsabsicht vorausgesetzt. Daher kann eine Unternehmereigenschaft im Umsatzsteuerrecht auch im Falle einer ertragsteuerlichen Liebhaberei vorliegen. Influencer, die die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft erfüllen, sind für umsatzsteuerliche Zwecke als Unternehmer anzusehen. Wann liegt eine nachhaltige (wirtschaftliche) Tätigkeit vor? Maßgebende Kriterien für die Beurteilung, ob eine nachhaltige Tätigkeit vorliegt sind insbesondere Folgende: Tätigkeit mit Wiederholungsabsicht planmäßiges Handeln, Ausführung mehr als nur eines Umsatzes, Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses, langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis Intensität des Tätigwerdens, Beteiligung am Markt Auftreten wie ein Händler Unterhalten eines Geschäftslokals. Die unternehmerische Tätigkeit kann bei Influencern schon vorliegen, wenn die Absicht besteht , durch das Hochladen und Teilen von Inhalten künftig Zahlungen zu erhalten und diese Tätigkeit regelmäßig zu wiederholen . Was ist die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung und ist diese auf Influencer anzuwenden? Sofern die Umsätze eines Unternehmers im laufenden Jahr bzw. Gründungsjahr nicht mehr als 22.000€ betragen und im Folgejahr die Umsatzgrenze von 50.000€ voraussichtlich nicht überstiegen wird , kann sich der Unternehmer als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG behandeln lassen. Dies ist auch für Influencer möglich. Dadurch entfällt die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und seit dem Jahr 2024 entfällt auch die Abgabe einer Umsatzsteuer- Jahreserklärung. Jedoch verliert man die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen . Sofern die o.g. Umsatzgrenzen in einem Jahr überschritten werden, wird automatisch die Regelbesteuerung angewendet. Es besteht die Möglichkeit, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Bei erklärtem Verzicht wird der Influencer wie ein regelversteuernder Unternehmer behandelt und muss auf den Erlösrechnungen Umsatzsteuer ausweisen, hat aber dafür auch die Vorsteuerabzugsberechtigung für Eingangsrechnungen. Dies kann unter Umständen dann vorteilhaft sein, wenn der Influencer größere Eingangsrechnungen mit Vorsteuerabzug zu erwarten hat. Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung gem. §19 Abs. 2 Satz 2 UStG bindet den Steuerpflichtigen für mindestens fünf Kalenderjahre . II. Lieferungen und sonstige Leistungen eines Influencers und deren Ort Influencer, YouTuber und Blogger erbringen in der Regel verschiedene Leistungen. Auch Leistungen die zunächst den Anschein haben steuerfrei zu sein, können der Umsatzsteuer unterliegen wie z.B. die kostenlose Überlassung von Produktproben und Sachzuwendungen. Um im Falle einer späteren Betriebsprüfung umsatzsteuerliche Konsequenzen und Steuernachzahlungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, jede Leistung einzeln zu Betrachten um eine zutreffende Einordnung vornehmen zu können. Die richtige Einordnung hat Auswirkungen auf die Bestimmung des Leistungsortes und die daraus resultierende Steuerpflicht. Sofern der Ort einer sonstigen Leistung bzw. Lieferung im Inland liegt und diese steuerbar und nicht steuerbefreit ist, unterliegt der Umsatz in der Regel der Umsatzsteuer von 19%, welche in der Rechnung gesondert auszuweisen ist. Nachfolgend geben wir einen Überblick über mögliche Leistungen und deren umsatzsteuerliche Beurteilung. Gewinnbeteiligung an Werbeumsätzen von Video-Plattformen Mit der Erstellung und dem hochladen von Videos auf Video-Plattformen wie z.B. YouTube, generiert der YouTuber in der Regel Einnahmen über eine Gewinnbeteiligung an den Umsätzen, welche die Plattform mit Werbeanzeigen vereinnahmt. Die Tätigkeit wird als selbstständige nachhaltig Tätigkeit mit Einnahmenerzielungsabsicht angesehen, auch wenn nur ein einmaliges hochladen erfolgt mit der Absicht, durch regelmäßigen Aufruf von Dritten auch zukünftig Werbeeinnahmen zu erzielen. Die Erteilung der Erlaubnis Werbeanzeigen auf dem Kanal abspielen zu dürfen stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG dar. Der Ort der Leistung ist gem. § 3a Abs. 2 UStG dort, wo der Leistungsempfänger (Video-Plattform) seinen Sitz bzw. seine wirtschaftliche Tätigkeit hat (Empfängerortsprinzip). Beiträge von Bloggern Mit dem verfassen und hochladen von Schrift- und Videobeiträgen werden zudem oft Einnahmen generiert, indem im Beitrag Verschaltungen von Werbung und Links platziert werden, die zu anderen Unternehmen führen. Hierdurch erzielen Blogger bzw. Vlogger regelmäßig Einnahmen aus Werbeleistungen. Die Erteilung der Erlaubnis Werbeanzeigen auf dem Kanal abspielen zu dürfen, stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG dar, deren Ort am Sitz des Leistungsempfängers (Unternehmens) gem. § 3a Abs. 2 UStG ist. Unterhaltungs- und Entertainmentleistungen Streamer erbringen häufig auch Unterhaltungs- und Entertainmentleistungen an ihre Zuschauer und Follower. Diese Leistungen unterliegen ebenfalls als sonstige Leistungen der Umsatzsteuer. Hier ist jedoch genau zu unterscheiden, ob die Streaming-Plattform oder der Streamer Leistungserbringer gegenüber dem Endverbraucher ist. Eine genaue Prüfung der Verträge und Vertragsbeziehungen mit der Streaming-Plattform ist daher unumgänglich. Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt eine Dienstleistungskommission vor, wenn elektronisch erbrachte Dienstleistungen über ein Portal, eine Schnittstelle oder ein Telekommunikationsnetz erbracht werden. Dies hat zur Folge, dass der Plattformbetreiber als Leistungserbringer an den Endkunden zu sehen ist. Der Streamer erbringt eine sonstige Leistung an den Plattformbetreiber, der Ort der Leistung befindet sich gem. § 3a Abs. 2 UStG am Sitz des Leistungsempfängers. Verkauf eigener Produkte Sofern eigene Produkte wie Kosmetik, Lebensmittel, Mode- und Sportartikel verkauft werden, handelt es sich hierbei um eine Lieferung. Die Lieferung gilt gem. § 3a Abs. 6 UStG an dem Ort ausgeführt, wo die Versendung beginnt. Dies wird regelmäßig der Sitz bzw. Wohnsitz des Influencers sein. Im Falle einer Versendung von Deutschland aus, unterliegt die Lieferung der Umsatzsteuer in Höhe von 19%. Sollte die Lieferung an einen im Ausland ansässigen Unternehmer erfolgen ist zu prüfen, ob eine umsatzsteuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung bzw. Ausfuhrlieferung vorliegt. Überlassung von Produktproben und Sachzuwendungen Als Gegenleistung für Werbeleistungen erhalten Influencer häufig Produktproben und Sachzuwendungen (z.B. Mode-, Sport- und Kosmetikartikel, technische Geräte) von Unternehmen. Die Annahme derartiger Produkte führt bei dem Influencer zu Betriebseinnahmen und stellt einen tauschähnlichen Umsatz i.S.d. § 3Abs. 12 S. 2 UStG dar. Beim Tausch und bei tauschähnlichen Umsätzen gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Der Wert des anderen Umsatzes wird durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Subjektiver Wert ist derjenige, den der Leistungsempfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und deren Wert dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. 4. 2008, XI R 56/06, BStBl II S. 909, und EuGH-Urteil vom 2. 6. 1994, C-33/93, Empire Stores). Die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer richtet sich folglich nach dem subjektiven Wert der erhaltenen Werbeleistung. Die Werbeleistung stellt somit eine sonstige Leistung an einen Unternehmer dar, deren Ort sich gem. § 3a Abs. 2 UStG am Sitz des Leistungsempfängers befindet. Derartige umsatzsteuerliche Konsequenzen können ggf. durch die Rückgabe der Produktprobe nach Testung vermieden werden. Geldzuwendungen „Donations“ Bei Donations handelt es sich um freiwillige Spenden durch Zuschauer, die an den Influencer bei Liveübertragungen über eine spezielle Donation Software getätigt werden. Bei der Besteuerung von Donatins ist bislang nicht eindeutig, ob diese als Entgelt für eine Leistung des Streamers im umsatzsteuerlichen Sinne zu sehen sind, da die Zuschauer teilweise Vorteile wie z.B. früheren oder limitierten Zugang zu Inhalten auf der Website erlangen. Ein Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung wurde allerdings von der Rechtsprechung bejaht. Hier verweisen wir auch auf unseren Blogbeitrag vom 10.01.2024 „Spenden (sog. Donations) im Bereich von Video- bzw. Streaming- Plattformen und deren umsatzsteuerliche Behandlung (Stand 9/2023)“. Die Geldzuwendung an den Streamer stellt eine unmittelbare Gegenleistung der Zuschauer für die Unterhaltsleistung des Streamers dar. Die Bestimmung des Leistungsortes richtet sich nach § 3a Abs. 1 UStG und liegt am Sitz des leistenden Unternehmers, also des Influencers. Eine Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 5 UStG scheidet aus, da die Leistung nicht vollautomatisiert erbracht wird. Zuwendungen von „Bits“ Neben Donations haben Streamer auch die Möglichkeit Einnahmen über Zuwendungen in Form von Bits, eine Art virtuelle Ware, zu erzielen. Die Bits werden durch den Zuschauer über die Video-Plattform erworben. Die Einräumung von Bits stellt eine Gegenleistung für die Unterhaltungsleistungen des Streamers dar und unterliegt der Umsatzsteuer. Der Leistungsaustausch erfolgt allerdings zwischen dem Streamer und dem Betreiber der Video-Plattform. Die Dienstleistungskommission stellt eine sonstige Leistung an die Video-Plattform dar, deren Ort sich gem. § 3a Abs. 2 UStG am Sitz des Leistungsempfängers befindet. III. Besonderheiten bei Leistungsbeziehungen mit ausländischen Unternehmen und Privatpersonen Sofern eine sonstige Leistung an einen im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht wird, ist eine Einzelfallprüfung äußerst ratsam. Liegt der Leistungsort im Ausland, ist die sonstige Leistung nicht im Inland steuerbar. Es ist jedoch zu prüfen, ob ggf. eine umsatzsteuerliche Registrierung im Ausland erfolgen und die Umsatzsteuer dort abgeführt werden muss oder ob das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung findet und die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergeht. Der Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft und die Angabe einer Umsatzsteuer-ID Nummer muss in der Rechnung erfolgen. Wird eine sonstige Leistung an eine Privatperson erbracht, ist die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht möglich und eine umsatzsteuerliche Registrierung im Ausland ist ggf. nötig. Hier kann jedoch geprüft werden, ob die Umsätze im Rahmen des One-Stop-Shop-Verfahrens (OSS) an die jeweiligen Länder über das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet werden können. Sofern ein inländischer Influencer sonstige Leistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmer bezieht ist ebenfalls zu prüfen, ob das Revers-Charge-Verfahren Anwendung findet und die Steuerschuldnerschaft auf den Influencer als Leistungsempfänger übergeht (§13b UStG). Ist dies der Fall, muss der Influencer die Umsatzsteuer auf die bezogenen Leistungen in Deutschland abführen. Die Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren ist auch durch den Influencer abzuführen, wenn auf ihn die Kleinunternehmerregelung Anwendung findet. Ferner liegt bei der Leistungserbringung an ausländische Unternehmer ggf. die Verpflichtung zur Abgabe einer zusammenfassenden Meldung (ZM) beim Bundeszentralamt für Steuern vor. Bei verspäteter Abgabe der ZM kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden, der bis zu 1 Prozent der Summe aller in der ZM zu meldenden Bemessungsgrundlagen, höchstens jedoch 2.500,- € betragen kann (§ 18 a Abs. 11 Satz 2 UStG i.V.m. § 152 AO). Wird eine ZM vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig abgegeben, so kann dies zusätzlich als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 5.000,- € geahndet werden (§ 26 a UStG). Im nächsten Teil gehen wir auf das BFH Urteil vom 12.6.2019 (X R 20/17, BStBl. ll 2020, 3) ein, hinsichtlich der AfA auf den kommerzialisierbaren Teil des Namens-/Persönlichkeitsrechtes. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln 22. April 2024
I. Einleitung In Fällen, in denen die Bedingungen für die erbschafts- und schenkungssteuerliche 100%-ige Optionsverschonung für begünstigtes (Betriebs-)Vermögen gemäß § 13a Abs. 10 ErbStG nicht erfüllt sind, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) eine Rückkehr zur Regelverschonung von 85 % nach Abgabe der Optionsverschonungserklärung nicht mehr zulässig (BFH Urteil vom 26. Juli 2022 II R 25/20, BStBl. II 2024, 21). Darüber hinaus hat der BFH in demselben Urteil entschieden, dass mehrere wirtschaftliche Einheiten auch bei gleichzeitiger Schenkung hinsichtlich der Verschonungsregeln der §§ 13a, 13b ErbStG einzeln zu würdigen sind. Da der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt das „alte“ Erbschaftsteuerrecht betraf, werden nun die Urteilsgrundsätze durch die Finanzverwaltung, mit gleichlautenden Ländererlassen vom 22. Dezember 2023 (BStBl. I 2024, 69), auch auf die aktuelle Rechtslage angewendet. II. Wichtigste Punkte der gleichlautenden Ländererlasse vom 22. Dezember 2023 In den gleichlautenden Ländererlassen (GLE) vom 22. Dezember 2023 (BStBl I 2024, 69) regelt die Finanzverwaltung nun insbesondere Folgendes: Wurde die Erklärung zur optionalen Vollverschonung (100%-ige Begünstigung) für eine wirtschaftliche Einheit abgegeben, die die Anforderungen an die Optionsverschonung jedoch nicht erfüllt, kann für diese wirtschaftliche Einheit auch nicht die Regelverschonung (85%-ige Begünstigung) gewährt werden (vgl. Rz. 2). Die Verwaltungsvermögensquote ist in Bezug auf jede wirtschaftliche Einheit und damit jeweils einzelfallabhängig zu ermitteln (Rz. 3). Der Erwerber kann bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft den Antrag auf Optionsverschonung bei einem Erwerb von mehreren wirtschaftlichen Einheiten für jede wirtschaftliche Einheit separat stellen. Bei dem Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten ist daher eine Kombination von Regel- und Optionsverschonung möglich (vgl. Rz. 5 bis 7). Die Berechnung des gleitenden Abzugsbetrages (max. EUR 150.000,--) gem. § 13a Abs. 2 ErbStG ist hingegen beim Erwerb mehrerer selbstständiger wirtschaftlicher Einheiten des begünstigen Vermögens ausgehend von der Summe des insgesamt verbleibenden Vermögens vorzunehmen (vgl. Rz. 14). Dagegen kann das Abschmelzungsmodell des § 13c Abs. 1 ErbStG sowie die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG bei dem Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten nur einheitlich für den gesamten Erwerb beantragt werden (vgl. Rz. 16). Zudem ist die Einhaltung der Mindestlohnsumme während der Lohnsummenfrist (§ 13a Abs. 3 ErbStG), anders als bisher, für jede wirtschaftliche Einheit separat zu prüfen (vgl. Rz. 28 u. 29). Auch die Behaltensregelungen (fünf bzw. sieben Jahre) des § 13a Abs. 6 ErbStG sind auf Ebene jeder wirtschaftlichen Einheit einzeln zu prüfen und führen demnach auch nur bei dieser möglicherweise zu einer Nachversteuerung (vgl. Rz. 30 f. u. 34). III. Vertrauensschutzregelungen (Stichtag 25. Januar 2024) Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung konnte ein Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten eines Erwerbs nur einheitlich gestellt werden. Nach dem BFH-Urteil vom 26. Juli 2022 (II R 25/20, BStBl. II 2024) sowie damit einhergehend der GLE vom 22. Dezember 2023 ist nun eine Antragstellung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert möglich. Wurden in der Vergangenheit die Voraussetzungen der Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten nicht erfüllt, und ging damit der einheitliche Antrag auf Optionsverschonung ins Leere, wurde bislang seitens der Finanzverwaltung dennoch die Regelverschonung gewährt. Dies galt auch, wenn der Erwerb nur aus einer wirtschaftlichen Einheit bestand und die Optionsverschonung beantragt wurde. Da nun nach misslungener Antragstellung auf Optionsverschonung ein Rückfall in die Regelverschonung nicht mehr in Betracht kommt, gilt die Altregelung dennoch aus Vertrauensschutzgründen fort, wenn der Antrag auf Optionsverschonung vor dem 25. Januar 2024 gestellt wurde. In diesen Fällen würde auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Optionsverschonung die Regelverschonung gewährt werden. Bei der Lohnsummenprüfung findet die Prüfung nunmehr für jede wirtschaftliche Einheit getrennt statt und eine Verrechnung zwischen den wirtschaftlichen Einheiten ist nicht mehr möglich. Aus Vertrauensschutzgründen wird jedoch bei einer Steuerentstehung vor dem 25. Januar 2024 wie bisher (gemeinsame Prüfung) verfahren. Gleichwohl kann der Steuerpflichtige sich dennoch antragsgebunden auf die Neuregelung berufen, sollte diese für ihn günstiger sein (vgl. Rz. 37). IV. Auswirkungen auf die Praxis Steuerpflichtige, die für eine oder mehrere wirtschaftliche Einheiten den Optionsantrag vor dem 25. Januar 2024 gestellt haben, können sich auch bei Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen noch nachträglich auf Anwendung der Regelverschonung berufen, soweit diese einschlägig wäre (Vertrauensschutzregelung). Dagegen ist bei Übertragungen nach dem 24. Januar 2024 der Antrag auf Optionsverschonung stets einzelfallabhängig kritisch zu prüfen. Dem steuerlichen Berater ist anzuraten, einen Antrag auf Optionsverschonung erst dann zu stellen, wenn die kritische Verwaltungsvermögensquote von 20% nicht überschritten wird. Die Antragstellung ist bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft möglich und kann auch beschränkt auf einzelne wirtschaftliche Einheiten erfolgen. Dies gilt nur dann nicht, wenn bereits zuvor ein einheitlicher Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt wurde (vgl. Rz. 38). Wurde ein Optionsantrag jedoch gestellt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, sollten die entsprechenden Bescheide dennoch unter Verweis auf das Revisionsverfahren II R 19/23 beim BFH offengehalten werden. Dieser muss sich mit der Frage beschäftigen, ob im Fall einer durch den Steuerpflichtigen beantragten Optionsverschonung (100 % ige Steuerbefreiung) ein sogenannter "Rückfall" auf die Regelverschonung (85 % ige Befreiung) möglich ist, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Voraussetzungen der Optionsverschonung letztlich nicht erfüllt werden können. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 15. April 2024
Am 22. März 2024 hat der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Im Wachstumschancengesetz wurde auch die Ausgestaltung der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 2 EStG neu gefasst. I. Bisherige Regelung Ziel des § 34a EStG ist es, die Besteuerung von Mitunternehmerschaften Kapitalgesellschaften gleichzustellen und die Reinvestition von Gewinnen in das Unternehmen zu fördern. Die nicht entnommenen Gewinne können auf Antrag mit einem Thesaurierungssteuersatz von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) begünstigt besteuert werden (§ 34a Abs. 1 Satz 1 EStG). Der § 34a Abs. 2 EStG regelt die Berechnung des nicht entnommenen Gewinns als den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn (steuerbilanzieller Gewinn) vermindert um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres. Antragsberechtigt sind Steuerpflichtige deren Anteil am ermittelten Gewinn mehr als 10 % beträgt oder EUR 10.000,00 übersteigt. Werden die begünstigten Gewinne in den Folgejahren entnommen, führt dies gemäß § 34a Abs. 4 EStG zu einer Nachversteuerung in Höhe von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Die Nachversteuerung tritt gemäß § 34a Abs. 4 und Abs. 6 EStG in folgenden Fällen ein: Überentnahmen (d. h. der Saldo aus dem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn vermindert um die Entnahmen und erhöht um die Einlagen des Wirtschaftsjahres ist negativ); Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe (§§ 14, 16 Abs. 1 und 3 sowie 18 Abs. 3 EStG); Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft; Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft; Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG auf eine Körperschaft gem. § 1 Abs. 1 KStG; Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils auf eine Mitunternehmerschaft, soweit dort Körperschaften gemäß § 1 Abs. 1 KStG beteiligt sind; Gewinnermittlung erfolgt nicht mehr gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG; Antrag des Steuerpflichtigen. II. Bisherige Regelung in der Praxis In der Praxis fand die Regelung bisher wenig Zuspruch. Dies hat mehrere Ursachen: Der steuerbilanzielle Gewinn ist maßgeblich, so dass die zu versteuernden Einkünfte in der Regel höher sind als der begünstigungsfähige Gewinn, da z. B. nicht abziehbare Betriebsausgaben wie die Gewerbesteuer nicht begünstigungsfähig sind, weil diese außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind. D. h. für die Begünstigung blieben alle außerbilanziellen Korrekturen außer Ansatz. Werden die Einkommensteuervorauszahlungen aus dem Unternehmensvermögen bezahlt bzw. erhalten die Gesellschafter Vorabausschüttungen um die Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten, liegen Entnahmen vor, die ebenfalls den begünstigungsfähigen Gewinn reduzieren. Bei Anwendung des Spitzensteuersatzes liegt die Steuerbelastung auf die begünstigten Gewinne bei rund 35 % und damit um rund 5 % höher als bei Kapitalgesellschaften. Die Gesamtsteuerbelastung unter Berücksichtigung der Nachversteuerung ist bei Anwendung des Spitzensteuersatzes um 0,5 % schlechter als bei einer voll umfänglichen Besteuerung zum tariflichen Steuersatz. Der Nachteil wird umso größer, je niedriger der Steuersatz der steuerpflichtigen Person ist, denn die Steuersätze im Rahmen der Thesaurierungsbesteuerung sind nicht progressiv ausgestaltet. Die Überentnahmen sind jährlich zu ermitteln. D. h. sind im aktuellen Jahr Übernahmen erfolgt, sind diese der Nachversteuerung zu unterwerfen. Erst dann können in der Vergangenheit nichtbegünstigte thesaurierte Gewinne ohne Nachversteuerung entnommen werden. Unterentnahmen in den Vorjahren werden bei Überentnahmen in den Folgejahren nicht verrechnet. Bei Teilübertragungen, sowohl unentgeltlich oder nach § 24 UmwStG, kommt es bisher nicht zur anteiligen Nachversteuerung oder zum anteiligen Übergang von nachversteuerungspflichtigen Beträgen. Ein Übergang der nachversteuerungspflichtigen Beträge erfolgt nur, wenn ein gesamter Betrieb oder Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen wird. Somit können Gestaltungen mit nur anteiligen Übertragungen genutzt werden, um die Nachversteuerung hinauszögern. (bisher ein Pluspunkt) Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG können die Begünstigungen des § 34a EStG nicht bei der Berechnung der Einkommensteuervorauszahlungen berücksichtigt werden. Dies führt bis zur Veranlagung der Einkommensteuer zu einem Liquiditätsnachteil. III. Änderungen durch das Wachstumschancengesetz Die Änderungen des Regierungsentwurfs vom 30. August 2023 wurden wie folgt übernommen: Der begünstigungsfähige Gewinn (bisher der Steuerbilanzgewinn) wird um die Gewerbesteuer erhöht. Weitere nicht abziehbare Betriebsausgaben werden dagegen weiterhin nicht berücksichtigt. Entnahmen für die Zahlung der persönlichen Einkommensteuer, die gem. § 34a Abs. 1 EStG entstehen, bleiben bei der Ermittlung der Entnahmen außer Ansatz (§ 34a Abs. 12 Satz 2 EStG-E). Entnahmen gelten vorrangig bis zur Höhe der Einkommensteuer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG-E und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlages als zur Zahlung dieser Beträge verwendet. Der Katalog der Nachversteuerungstatbestände wird erweitert: • Entgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen; • Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils; • Einbringung eines Teilbetriebs oder eines Teils eines Mitunternehmeranteils; • Unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs oder Teils eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG auf eine Körperschaft gem. § 1 Abs. 1 KStG; • Unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs oder Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine Mitunternehmerschaft, soweit dort Körperschaften des § 1 Abs. 1 KStG beteiligt sind; • Unentgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen, wenn die Übertragung auf eine Körperschaft des § 1 Abs. 1 KStG erfolgt. Damit führen auch anteilige Übertragungen/Veräußerungen zu einer anteiligen Nachversteuerung. Basis für die quotale Nachversteuerung ist der Anteil des übertragenen Betriebsvermögens an dem Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers vor der Übertragung. Bei Einzelunternehmen ist das Betriebsvermögen das Eigenkapital, bei Mitunternehmerschaften das anteilige Gesamthandskapital, das Kapital der Sonder- und Ergänzungsbilanzen. Ziel dieser Regelung ist die Verhinderung von Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen Betriebsvermögen bis auf einen Zwergenanteil übertragen wird und dies bisher keinen Nachversteuerungstatbestand ausgelöst hat. Bei Teilübertragungen wie: • unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person, • unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen und • Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils zu Buchwerten nach § 24 UmwStG erfolgt künftig eine anteilige Übertragung der nachversteuerungspflichtigen Beträge auf den Rechtsnachfolger, der diese fortzuführen hat. Auch hier ist maßgeblich für die quotale Nachversteuerung der Anteil des übertragenen Betriebsvermögens an dem Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers vor der Übertragung. Der Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden. Dies kann bisher dazu führen, dass bei sehr später Antragsstellung (z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) ein hohes Guthaben an Erstattungszinsen entsteht. Der neue § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG-E regelt nun, dass die nachträgliche Antragsstellung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO eingestuft wird. Somit beginnt der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres der Antragsstellung. Die Änderungen werden erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2024 Anwendung finden. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 10. April 2024
Am 22. März 2024 hat der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Im Wachstumschancengesetz sind unter anderem diverse Änderungen für Abschreibungen enthalten. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über die Änderungen im Bereich der Abschreibungen. I. Degressive Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens konnte gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Jahre 2020 bis 2022 „vorübergehend“ die degressive Abschreibung als konjunkturstützende Maßnahme in Anspruch genommen werden. Nunmehr wird es erneut vorübergehend ermöglicht für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. März 2024 (geplant war: 30.September 2023) und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt worden sind, die degressive Abschreibung abermals einzuführen. Der dabei anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweifache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % nicht übersteigen (geplant war: 2,5-fache und 25%). Sinnvoll ist die Anwendung für bewegliche Wirtschaftsgüter deren Nutzungsdauer mehr als fünf Jahre beträgt. Die degressive Abschreibung führt zu Beginn des Abschreibungszeitraums zu einer höheren Abschreibung und am Ende zu einer niedrigeren Abschreibung. Letztlich führt die zeitliche Verschiebung nur zu einem reinen Zinseffekt. Zu beachten ist hierbei, dass es im Fall der Bilanzierung insoweit zum Auseinanderfallen zwischen Handels- und Steuerbilanzansatz kommen kann, wodurch mitunter latente Steuern zu berechnen und im Jahresabschluss auszuweisen sind. II. Degressive Abschreibung bei Wohngebäuden Aufgrund des Wohnraummangels in Ballungsgebieten sowie anhaltender wirtschaftlicher Belastungen durch hohe Baukosten (Anstieg der Rohstoffpreise, erhöhte Finanzierungskosten) wird befristet, zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft, die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geometrisch-degressiven Abschreibung für Gebäude mit fallenden Jahresbeträgen eingeführt. Der neue § 7 Abs. 5a EStG hat folgende Voraussetzungen : Die geometrisch-degressive Abschreibung gilt ausschließlich für neue Gebäude, die Wohnzwecken dienen und die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind. Der Baubeginn des Wohngebäudes muss zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 liegen. Maßgebend ist hier die Baubeginnsanzeige. Eine Baubeginnsanzeige ist eine formelle Mitteilung, die von einer Baufirma oder einem Bauherren an die zuständige Bauaufsichtsbehörde gesendet wird, um den Beginn eines Bauprojekts anzuzeigen. Die Baubeginnsanzeige enthält regelmäßig Informationen über das geplante Bauprojekt, den Standort, den Zeitplan und andere relevante Details. Sie ermöglicht den Behörden die Baustelle zu überwachen und sicherzustellen, dass das Projekt den genehmigten Plänen entspricht und alle erforderlichen Standards eingehalten werden. Beim Kauf einer Immobilie muss der Vertrag zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 rechtswirksam geschlossen werden. Die Immobilie muss bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erworben werden. D. h. die Fertigstellung des Gebäudes und die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Gebäude müssen im gleichen Kalenderjahr erfolgen. Der Steuerpflichtige trägt die Nachweispflicht. Im Erstjahr können fünf Prozent der Investitions-/Anschaffungskosten steuerlich in Abzug gebracht werden. In den darauffolgenden Jahren sind dann jeweils fünf Prozent des Restwertes abzugsfähig. Die Abschreibung hat pro rata temporis (d. h. zeitanteilig) zu erfolgen. Ein Wahlrecht zum Wechsel zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist gegeben. Die lineare Absetzung für Abnutzung ist nach dem Wechsel zur Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG vom Restwert vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen sind neben der degressiven Abschreibung nicht zulässig. Soweit Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen eintreten, kann zur linearen AfA gewechselt werden. Die Abschreibung stellt sich beispielhaft wie folgt dar: Bei EUR 500.000,00 Investitionskosten (1.2025) sollen im ersten Jahr EUR 25.000,00 (fünf Prozent von EUR 500.000,00), im zweiten Jahr EUR 23.750,00 (EUR 500.000,00 abzüglich der EUR 25.000,00 vom ersten Jahr = EUR 475.000 Restwert davon fünf Prozent). III. Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) Die in unserem BLOG-Beitrag 14. Februar 2024 dargestellten geplanten Änderungen im Bereich geringwertige Wirtschaftsgüter und Sammelposten wurden ersatzlos gestrichen. IV. Sonderabschreibung § 7g EStG Nach § 7g Abs. 5 EStG können Betriebe, die die Gewinngrenze von EUR 200.000,00 im Jahr vor der Investition nicht überschreiten und das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr vermieten oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich nutzen, derzeit bis zu 20 % der Investitionskosten als Sonderabschreibung geltend machen, unabhängig von einer vorherigen Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags. Die Sonderabschreibung kann beliebig auf das Jahr der Anschaffung oder Herstellung und die folgenden vier Jahre verteilt werden, gedeckelt auf insgesamt 20 %. Das Wachstumschancengesetz sieht für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft oder hergestellt werden, eine Erhöhung der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG auf bis zu 40 % (geplant war: 50 %) vor. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Christoff Jorde 27. März 2024
I. Einleitung Die unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen – insbesondere im Familienverbund – will einerseits für die Schenkung im Einzelnen sowie mit Blick auf Folgeschenkungen in der näheren Zukunft geplant sein. Neben der Steuerklasse und dem Freibetrag spielt insbesondere die Bewertung des Schenkungsgegenstandes eine exponierte Rolle. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 unter dem Az. II R 35/21 festgestellt, dass ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide entfaltet, bei denen dieser mit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt insbesondere auch für die Berücksichtigung eines früheren innerhalb der Zehnjahresfrist. Für den Steuerpflichtigen ergeben sich somit materiell-rechtliche Risiken aus Grundlagenbescheiden, auch wenn die dortigen Wertfeststellungen zunächst zu keiner Schenkungsteuer führen. II. Urteilssachverhalt Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an mehreren unbebauten Grundstücken (die sog. „Vorerwerbe“). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 4. April 2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt. Der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt EUR 87.392 und lag somit grundsätzlich unter dem Schenkungsteuerfreibetrag i. H. v. EUR 400.000,-- zwischen Eltern und Kindern. Die erlassenen Feststellungsbescheide wurden nicht beanstandet und somit bestandskräftig. Die dort festgestellten Grundbesitzwerte waren die Besessungsgrundlage für den Schenkungsteuerbescheid vom 25. April 2016. Die Schenkungsteuer wurde mit EUR 0 festgesetzt. Am 20. Juni 2017 erhielt der Kläger von seinem Vater schenkweise EUR 400.000,-- durch einen Forderungsverzicht (steuerlicher Erwerb). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑FA‑) setzte daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von EUR 9.603 fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb (s. o.) mit einem Wert von EUR 87.392 und damit einhergehend die betragsmäßige Überschreitung des schenkungsteuerlichen Freibetrages. Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA in der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2019 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil v. 25. August 2021, 3 K 112/19) hatte keinen Erfolg. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen. Der Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die mit Bescheiden jeweils vom 4. April 2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt EUR 87.392 wurden zu Recht auch der Schenkungsteuerfestsetzung des Erwerbs zu Grunde gelegt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Der Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 ist ein Grundlagenbescheid, in welchem ein Grundbesitzwert bestandskräftig festgestellt worden ist. Dieser Grundlagenbescheid hat grundsätzliche Bindungswirkung für sämtliche Folgebescheide. Zu solchen Folgebescheiden zählen auch Schenkungsteuerbescheide. Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf bestimmte Erwerbe sieht das Steuergesetz nicht vor. Im Gegenteil liegt es nach Auffassung des BFH in der (rechtlichen) Natur der gesonderten Feststellung, diese bei allen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen, für die sie materiell-rechtlich von Bedeutung ist. Die Bindungswirkung der gesondert festgestellten Werte nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gilt folglich nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO auch für nachfolgende Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheide , in denen im Rahmen der Zusammenrechnung innerhalb von zehn Jahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Wert der Vorerwerbe Berücksichtigung findet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfeststellung zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Ein Steuerpflichtiger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe den Wertfeststellungsbescheid nicht angefochten, weil aufgrund der Freibeträge die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb EUR 0 betragen hat. Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH-Urteile vom 22.08.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 - II R 42/17, Rz 24) steht danach der Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte. Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuer-bescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten. IV. Auswirkungen auf die Praxis Diese BFH-Rechtsprechung verdeutlicht einmal mehr die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden für Folgebescheide . Die Bindungswirkung gilt auch für steuerartübergreifende Festsetzungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Grundlagenbescheide dahingehend geprüft werden, dass die korrekten Werte festgesetzt werden. Denn (materiell-rechtliche) Einwände gegen rechtsfehlerhafte, aber zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsende Grundlagenbescheide sind in Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren gegen Folgebescheide nicht mehr möglich. Gerade im Bereich der Planung von Vermögensübertragungen sind gesondert festzustellende Wertfeststellungen einer genauen Prüfung auf deren Richtigkeit zu unterzeihen, weil diese Feststellungen im Rahmen von Folgeschenkungen während des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 14 ErbStG ihre Wirkung nicht verlieren. Für Rückfragen zum Thema „Bindungswirkung von Wertfeststellungsbescheiden“ und deren Wirkung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln 11. März 2024
I. Einleitung Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 6. März 2024 einen Entwurf für die Anpassung des noch nicht ganz zwei Jahre alten BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022 ( dazu unser Blogbeitrag ) vorgelegt. Hintergrund sind mehrere inhaltliche Anpassungen sowie insbesondere die Präzisierung der im ursprünglichen BMF-Schreiben nicht aufgeführten und zunächst nur im Rahmen eines Entwurfschreibens aus Juli 2022 vorgestellten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten ( dazu unser Blogbeitrag ). Die wichtigsten geplanten Änderungen, welche nun in das neue BMF-Schreiben aufgenommen werden sollen, stellen wir Ihnen nachfolgend dar. II. Im Detail Neben kleineren redaktionellen Anpassungen in bereits bestehenden Randnummern (Rn.) des BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022, sind für die Steuerpflichtigen insbesondere die neu unter Punkt „III. Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten“ aufzunehmenden Rn. 90 bis 111 sowie die unter Punkt „IV. Anwendungsregelungen“ aufzunehmende Rn. 112 zu nennen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die folgenden Randnummern, welche bereits im Rahmen der Abgabenordnung geregelte allgemeingültige Pflichten für die Steuerpflichtigen auf Krypto-Sachverhalte überträgt: Technische Besonderheiten (Rn. 92): Selbst bei auf der Blockchain dokumentierten Transaktionen bedarf es aufgrund der Pseudonymität einer entsprechenden Mitwirkung durch die Steuerpflichtigen. Auch die bloße Überlassung des öffentlichen Schlüssels durch die Steuerpflichtigen ist nach Verwaltungsauffassung für die ertragsteuerrechtliche Nachweisführung nicht ausreichend. Erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten (Rn. 93): Bereits verfahrensrechtlich unterliegen Steuerpflichtige bei Auslandssachverhalten einer erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO). In der Rn. 93 des vorliegenden Entwurfes soll dies insbesondere auch den regelmäßigen Abruf bestehender Transaktionsübersichten umfassen. Demnach sollen fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste (z. B. wegen Insolvenz der Handelsplattform oder aufgrund eines Hacker-Angriffs) zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Bereits lange tätige Investoren und Trader haben mitunter in der Vergangenheit keine Handelsdaten heruntergeladen und sehen sich nun vor dem Problem, dass einige Auslandsbörsen bereits nicht mehr existent sind. Darüber hinaus sind (insb. ältere) von Auslandsbörsen bereit gestellte Datensätze vielfach fehlerbehaftet. Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Mitwirkungs-, Aufzeichnung- und Aufbewahrungspflichten im Betriebsvermögen (Rn. 97 ff.): Die Entwurfsfassung des BMF-Schreibens stellt zunächst grundlegend klar, dass auch bei Token oder sonstigen Währungen in einem Betriebsvermögen die regulären steuerlichen und außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten Anwendung finden sollen (insb. §§ 140, 141 u. 145 ff. AO; §§ 238 ff. HGB). Neben der Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind Steuerpflichtige zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen verpflichtet, die für die Überprüfung dieser Aufzeichnungen von Bedeutung sind. Für den Fall, dass Steuerpflichtige für die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine spezielle Software (z. B. Cointracker oder Cryptotax) nutzen, so ist für diese zum einen eine eigene Verfahrensdokumentation zu erstellen ( siehe dazu bereits den Blogbeitrag „Verfahrensdokumentation“ vom 13. Mai 2022 ) sowie zum anderen die Anforderungen an die Unveränderbarkeit der Daten zu beachten. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Wer zum Beispiel in der Vergangenheit zeitweise gewerbliche Einkünfte (z. B. durch Mining oder aktives Staking) erzielt hat, hat mitunter aber die vorstehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nicht erfüllt. Auch in diesen Fällen wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Aufzeichnungspflichten im Privatvermögen (Rn. 104 ff.): Auch im Privatvermögen können Einnahmen aus virtuellen Währungen oder sonstigen Token zu einer erweiterten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht des Steuerpflichtigen führen. Dies trifft insbesondere alle Steuerpflichtigen, deren Summe der positiven Überschusseinkünfte (dies sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 EStG) mehr als 500.000 Euro im Kalenderjahr betragen (§ 147a AO). Diese haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Überschusseinkünften zu Grunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufzubewahren. Sofern Steuerpflichtige ein Datenverarbeitungssystem oder eine spezielle Software zur Erfüllung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten benutzen, ist im Rahmen einer Außenprüfung einen Datenzugriff sicherzustellen (Rn. 104). Für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten sollen Steuerreports (Rn. 106), CSV-Daten und Transaktionsübersichten (Rn. 107) sowie auch vom Steuerpflichtigen selbst erstellte Auflistungen und Tabellen (Rn. 108) dienen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang stets, dass für Zwecke einer ausreichenden Plausibilität Angaben zur Bestimmung der angesetzten Kurse und zum genutzten Verbrauchsfolgeverfahren (z. B. FiFo) sowie Ausführungen zu den zugrundeliegenden ertragsteuerrechtlichen Wertungen erforderlich sind. Haben die Steuerpflichtigen individuelle Anpassungen und Korrekturen in den Steuerreports vorgenommen, ist von ihnen darauf hinzuweisen . Insgesamt gilt, dass je komplexer die Transaktionen , desto höher die individuellen Anforderungen an die Dokumentationen (Rn. 109). Auch hier gilt: Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben, wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). III. Auswirkungen auf die Praxis Es bleibt zu konstatieren, dass es sich zunächst um einen Entwurf zu der Anpassung des bereits bestehenden BMF-Schreibens handelt. Verbände und Experten haben noch bis Anfang April Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Gleichwohl ist abzusehen, dass die erwartbaren Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten die Steuerpflichtigen in der Praxis regelmäßig – insb. aufgrund der geplanten Anwendbarkeit auf alle noch offenen Fälle – vor gewisse Herausforderungen stellen werden. Es gilt demnach für Steuerpflichtige insbesondere im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine fehlerfreie Dokumentation der Einzelsachverhalte sicherzustellen. Die Erfordernisse an die Dokumentationspflicht und die Unveränderbarkeit der Daten, einhergehend mit dem Datenzugriff der Finanzverwaltung ist sicherzustellen. Den Finanzämtern steht es stets offen Nachweise zu fordern. Können diese nicht erbracht werden, darf das Finanzamt schätzen. Insbesondere Steuerpflichtigen, die bereits eine Steuererklärung abgegeben haben, aber die Einnahmen aus virtuellen Währungen und sonstigen Token nicht oder nicht vollständig angegeben haben, ist umgehend zu einer persönlichen Beratung im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Nacherklärung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige zu raten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln und Lara-Sofie Bernert 4. März 2024
Die steuerlichen Konsequenzen von als „Influencern“ tätigen Personen sind stets einzelfallabhängig zu prüfen und hängen insbesondere von der Art und Weise der jeweils ausgeführten Tätigkeit sowie etwaigen Vergütungsmodellen ab. Dies entscheidet darüber, ob die Tätigkeit der Influencer als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren ist. In der Praxis ist insbesondere die Frage nach der steuerlichen Qualifikation von Betriebseinnahmen (z. B. Testprodukte) sowie den Betriebsausgaben (z. B. Equipment, Kleidung) häufig strittig. Insbesondere hinsichtlich der Frage des Betriebsausgabenabzuges für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung einer Influencerin hat jüngst das Niedersächsische Finanzgericht entscheiden müssen. I. Grundlegendes Wann erzielen Influencer Einkünfte aus Gewerbebetrieb ? Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen, die eine selbständige und nachhaltige Betätigung erfordern, welche mit der Absicht unternommen wird Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. „Selbständigkeit“ bedeutet, dass der Influencer eigenverantwortlich und unabhängig handelt. Die „Nachhaltigkeit“ bezieht sich auf die fortlaufende, nicht nur vorübergehende Geschäftstätigkeit. Die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ bedeutet, dass die Tätigkeit des Influencers für Dritte zugänglich ist. Ferner darf es sich bei der Tätigkeit des Influencers nicht um die Ausübung eines freien Berufs oder einer andere selbständigen Arbeit handeln (siehe dazu sogleich). Einkünften aus Gewerbebetrieb unterfallen nicht nur der Einkommensteuer, sondern auch der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuerpflicht in Deutschland betrifft gewerbliche Unternehmen (sog. Gewerbebetriebe). Es gibt grundsätzlich einen Freibetrag in Höhe von EUR 24.500, bis zu dem keine Gewerbesteuer anfällt. Dieser gilt jedoch nur für natürlichen Personen sowie Personengesellschaften, die einen Gewerbebetrieb betreiben. Liegt der Gewerbeertrag darüber, erfolgt die Besteuerung mit Gewerbesteuer auf den übersteigenden Betrag. Die Gewerbesteuer lässt sich jedoch (teilweise) auf die Einkommensteuer anrechnen. Ob der Influencer Bilanzen erstellen muss oder seinen Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermitteln darf, hängt insbesondere vom jeweiligen Umsatz und Gewinn ab. Einzelkaufleute, die weniger als 600.000 EUR Umsatz und 60.000 EUR Gewinn pro Jahr haben, können die Einnahmenüberschussrechnung wählen. Bei Überschreitung der Wertgrenzen besteht Bilanzierungspflicht. Durch das geplante – aber noch nicht final beschlossene – Wachstumschancengesetz sollen die vorstehenden Schwellenwerte zur Bilanzierungspflicht auf 800.000 EUR Umsatz und 80.000 EUR Gewinn angehoben werden. Wann erzielen Influencer Einkünfte aus selbständiger Arbeit ? Einkünfte aus selbständiger Arbeit können bei verschiedenen Tätigkeiten vorliegen. Es handelt sich um Einkünfte aus freiberuflicher oder selbständiger Tätigkeit (sog. Katalogberufe). Die für den Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen „Selbstständigkeit“, „Nachhaltigkeit“, „Gewinnerzielungsabsicht“ und die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ gelten auch für die selbstständige Arbeit. Ausschlaggebend ist regelmäßig, dass die Tätigkeit bzw. der Beruf in § 18 EStG ausdrücklich aufgeführt ist (z. B. selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit) oder, soweit § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG keine abschließenden Aufzählungen enthalten, den genannten Tätigkeiten ähnlich ist. Charakteristisch ist regelmäßig die persönliche Leistung des Influencers auf eigene Rechnung und Gefahr tätig zu sein und ohne Weisungsabhängigkeit von Dritten vorwiegend durch persönlichen Arbeitseinsatz. Die Tätigkeit von Influencern kann zum Beispiel den im Gesetz aufgeführten Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit erfüllen. Eine künstliche Tätigkeit liegt jedoch nur vor, wenn der Influencer eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht. Die Besonderheit bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist, dass im Gegensatz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nur Einkommensteuer und keine Gewerbesteuer anfällt. Ferner ist ungeachtet der Umsatz- und Gewinnhöhe eine Einnahmenüberschussrechnung zur Gewinnermittlung ausreichend. Einer Bilanzierung bedarf es dann nicht. II. Steuerpflichtige Einnahmen und Ausgaben Liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb vor, ist der Gewinn entsprechend zu versteuern. In der Praxis kommt es tatsächlich regelmäßig zu der Annahme von Einkünften aus Gewerbebetrieb, insbesondere wenn die Einnahmenstruktur primär auf Werbung und Vermittlungsprovisionen beruht (z. B. Affiliate-Links). Einnahmen in Geld sind regelmäßig leicht anhand der Kontoauszüge zu ermitteln. Gleichwohl erhalten Influencer häufig Produkte zum Testen zur Verfügung gestellt. Die steuerliche Behandlung dieser ist stets in Abhängigkeit der jeweiligen (Weiter-)Verwendung zu würdigen. Regelmäßig sind diese Sachzuwendungen als Betriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn deren Erhalt durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst ist. Auch die kostenfreie Nutzung von Dienstleistungen (z. B. kostenfreie Reisen oder Tickets) können regelmäßig als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu qualifizieren sein. Kritisch ist in diesem Zusammenhang in der Praxis insbesondere die Bewertung , wenn der „übliche Preis“ nicht bekannt ist. Etwas Anderes würde insgesamt nur gelten, wenn die Firmen von denen die Influencer die Produkte erhalten, diese bereits pauschal für sie versteuert hätten. Insbesondere die Einkommensermittlung bei Influencern ist nicht frei von steuer(straf)rechtlichen Risiken und bedarf einer qualifizierten Analyse der jeweilig bestehenden Einzelsachverhalten. Ferner bedarf es einer sauberen und in einer etwaigen Prüfung belastbaren Dokumentation sowohl der Geschäftsvorfälle als auch der zu Grunde gelegten Bewertung. Folgende Ausgaben können Influencer regelmäßig geltend machen: Aufwendungen aus der Internetnutzung sowie der Gestaltung von Websites und der Anschaffung von Ausrüstung zur Herstellung von Videos. Kosten für die Unterhaltung eines Raums, der ausschließlich zur Produktion von Videocontent sowie der Führung des Betriebes genutzt wird. Fahrt- und Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen etc. Exkurs: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. November 2023 (3 K 11195/21): Das FG urteilte im Leitsatz wie folgt: „Aufwendungen einer Mode-Influencerin/Mode-Bloggerin für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sind - unabhängig vom betrieblichen Nutzungsumfang - nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.“ Geklagt hatte eine Steuerzahlerin, die auf diversen Social-Media-Kanälen sowie über einen Mode- und Lifestyleblog betreibt. Neben den Waren, die sie im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit von diversen Unternehmen erhalten hatte, um diese zu bewerben, erwarb die Influencerin zusätzlich auf eigene Rechnung diverse Kleidungsstücke und Accessoires (z. B. Handtaschen namhafter Luxusmarken). Diese Aufwendungen wollte sie als Betriebsausgaben bei ihrer gewerblichen Tätigkeit als Influencerin geltend machen. Neben dem Finanzamt (im Einspruchsverfahren) lehnte aber auch das Finanzgericht (im Klagverfahren) die steuerliche Geltendmachung der Kosten ab. Begründung: Bei gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sei eine Trennung zwischen privater und betrieblicher Sphäre nicht möglich. Dies ändere sich auch nicht, wenn die Aufwendungen in der Annahme getätigt werden, das berufliche Fortkommen zu fördern. Auf eine konkrete Nutzung komme es ebenfalls nicht darauf an. Allein die naheliegende Möglichkeit der Privatnutzung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires führe dazu, dass eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Im zweiten Teil unserer Tax-Basics-Reihe befassen wir uns mit den umsatzsteuerlichen Besonderheiten von Influencern. Für Rückfragen und für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Meike Kuhn und Maya Krömer 28. Februar 2024
I. Überblick Bereits im Jahr 2023 haben wir mehrere Blogbeiträge zu den aktuellen Änderungen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen verfasst. Dieser Beitrag ist als Ergänzung des Beitrags „ Nullsteuersatz für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen “ zu verstehen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 30.11.2023 ein BMF-Schreiben (III C 2 - S 7220/22/10002 :013) zu Einzelfragen bei der Anwendung des Nullsteuersatzes für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 UStG) erlassen sowie den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) angepasst. Das Schreiben ist eine Ergänzung des BMF-Schreibens vom 27.02.2023 (III C 2 -S 7220/22/10002 :010) zur Einführung des Nullsteuersatzes für die Lieferung von Photovoltaikanlagen. II. Im Detail 1. Entnahme aus dem Betriebsvermögen In dem BMF-Schreiben vom 27.02.2023 ist geregelt, dass eine Entnahme oder eine unentgeltliche Zuwendung einer Photovoltaikanlage, die vor dem 01.01.2023 erworben wurde und die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, als unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer unterliegt. Eine unentgeltliche Wertabgabe ist eine Abgabe in den außerunternehmerischen Bereich, die sich auf den Unternehmensgewinn auswirkt. Eine Entnahme des gesamten Gegenstandes (Photovoltaikanlage) ist nur möglich, wenn zukünftig voraussichtlich mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Davon ist auszugehen, wenn der Betreiber beabsichtigt, zukünftig mehr als 90 % des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden. Hierfür wurde eine Vereinfachungsregelung eingeführt (Rn. 5 des BMF-Schreibens vom 27.02.2023). Die Voraussetzungen für diese Vereinfachungsregelung wurde nun im neuen BMF-Schreiben konkretisiert. Wenn ein Teil des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird, durch die nicht nur gelegentliche Ladung eines privaten E-Fahrzeugs, den Betrieb einer privaten Wärmepumpe oder durch eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nachgewiesen wird, liegt eine Entnahme vor. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung stellt ein Wahlrecht für den Unternehmer dar. Die Ausübung dieses Wahlrechts ist vom Unternehmer zu dokumentieren, beispielsweise durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt. Eine rückwirkende Entnahme der Photovoltaikanlage ist nicht möglich. 2. Vorsteuerabzug bei einer zum Privatvermögen gehörenden Photovoltaikanlage Das neue BMF-Schreiben stellt klar, dass ein Vorsteuerabzug aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die für eine entnommene Photovoltaikanlage bezogen worden sind, nur in Höhe der unternehmerischen Nutzung möglich ist. Das heißt es ist das Verhältnis der unternehmerischen Nutzung zur unternehmensfremden Nutzung maßgeblich (vgl. A. 15.2c Abs. 3 S. 2 UStAE). Für den Vorsteuerabzug müssen gleichzeitig die weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG vorliegen. Das bedeutet, der Unternehmer benötigt eine Rechnung (§ 14 UStG) in der die Steuer gesondert ausgewiesene ist und die gesetzlich geschuldet wird. Des Weiteren muss die Lieferung oder sonstige Leistung von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt werden. 3. Begriff der Sachgesamtheit Gemäß dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 soll der Begriff der Sachgesamtheit beachtet werden. Sachgesamtheit bedeutet das Zusammenfassen mehrerer selbständiger Gegenstände zu einem einheitlichen Ganzen (vgl. A 3.1 Abs.1 S. 3 UStAE). Im UStAE ist explizit geregelt, dass die gleichzeitige Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag eine Sachgesamtheit bildet (vgl. A 3.1 Abs. 1 S. 4 UStAE). Die Gesamtanlage (im vorgenannten Fall Photovoltaikanlage plus Stromspeicher) stellt das Zuordnungsobjekt (Privatvermögen oder Betriebsvermögen) dar. Sofern die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind, ist für die Sachgesamtheit der Nullsteuersatz anzuwenden. 4. Option zur Regelbesteuerung vor dem 1.1.2023 Das neue BMF-Schreiben führt explizit aus, dass Steuerpflichtige, die vor dem 01.01.2023 eine Photovoltaikanlage angeschafft haben und wirksam zur Regelbesteuerung optiert haben die Bindungsfrist von 5 Jahren nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG zu beachten haben. In der jüngsten Vergangenheit unterlagen Steuerpflichtige, ohne weiterer unternehmerischer Betätigung, mit Ihrer Photovoltaikanlage der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG. Es bestand die Möglichkeit zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG zu optieren. Das bedeutet der Steuerpflichtige hat sich freiwillig der Umsatzbesteuerung unterworfen, durfte dafür aber auch den Vorsteuerabzug geltend machen. Diese Option bindet den Steuerpflichtigen für 5 Jahre. Hat der Steuerpflichtige seine Anlage also vor dem 01.01.2023 erworben und zur Regelbesteuerung optiert, ist er für 5 Jahre an diese Regelbesteuerung gebunden, auch wenn er die Photovoltaikanlage nun aus dem Unternehmen entnommen hat. Ein vorzeitiger Wechsel in die Kleinunternehmerregelung ist nicht möglich. Die Einspeisevergütung unterliegt weiterhin der Umsatzsteuer. 5. Wechsel zur Kleinunternehmerregelung § 15a UStG regelt grundsätzlich die Änderungen beim Vorsteuerabzug, wenn sich die Verhältnisse, die ursprünglich zu einem Vorsteuerabzug eines Wirtschaftsguts geführt haben, welches nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von 5 bzw. 10 Jahren ändern. In diesem Zusammenhang hält das BMF-Schreiben vom 30.11.2023 fest, dass ein Wechsel zur Kleinunternehmerregelung nur dann eine Änderung der Verhältnisse gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug darstellt, wenn sich die Photovoltaikanlage noch im Unternehmen befindet. Laut BMF-Schreiben ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 7 UStG bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Entnahme der Photovoltaikanlage nur eine juristische Sekunde vor dem Wechsel in die Kleinunternehmerschaft erfolgt. III. Auswirkungen auf die Praxis In dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 werden einige Detailfragen im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage geregelt. In der Praxis sollte genau geprüft werden, wann die Photovoltaikanlage angeschafft wurde und ob bzw. welche Anträge bisher gestellt wurden um insbesondere die Fünfjahresfrist bei der Option zur Regelbesteuerung zu beachten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
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