I. Einleitung
Viele Unternehmer die international tätig
sind beschäftigen sich mit der Frage, ob und wann eine Betriebsstätte vorliegt. Dies ist von erheblicher Bedeutung, da eine Betriebsstätte der Anknüpfungspunkt für die Besteuerung
ist und sich daraus auch weitere steuerliche Pflichten
ergeben (beispielsweise die Erstellung einer Betriebsstätten-Gewinnermittlung, Gewerbeanmeldung, Registrierung beim Finanzamt). Wenn das Vorliegen einer Betriebsstätte erst im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt wird, drohen regelmäßig hohe Steuernachzahlungen
und gegebenenfalls auch Strafen
für den Steuerpflichtigen.
Ob eine ertragsteuerliche Betriebsstätte vorliegt bedarf immer einer Einzelfallprüfung. Die Kriterien dafür sind im nationalen und internationalen Steuerrecht durchaus unterschiedlich. Teilweise haben auch einzelne Länder spezielle Sichtweisen zu diesem Thema. Hinzu kommt, dass durch die aktuellen Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, das Risiko eine Betriebsstäte im Ausland zu begründen erheblich gestiegen ist. Der Begriff der Betriebsstätte, wird im internationalen Steuerrecht mittlerweile weiter gefasst als noch vor einigen Jahren. In der Presse wird derzeit beispielsweise das Entstehen einer Betriebsstätte durch Mitarbeiter im Home-Office
aufgegriffen. Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die neuen Entwicklungen und die daraus resultierenden Folgen.
II. Die ertragsteuerliche Betriebsstätte im nationalen Recht
Eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 Abgabenordnung ist jede feste Geschäftseinrichtung
oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens
dient. Eine feste Geschäftseinrichtung ist auf eine gewisse Dauer
angelegt und der Unternehmer muss eine, nicht nur vorübergehende, Verfügungsmacht
über diese Einrichtung haben. Ergänzend beinhaltet § 12 Satz 2 Abgabenordnung einen Katalog von Einrichtungen, die als Betriebsstätte anzusehen sind (beispielsweise Stätte der Geschäftsleitung, Warenlager, Bauausführungen). Diese Katalogaufzählung ist jedoch nicht abschließend. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass in der Baubranche oder im Anlagen- und Maschinenbau die Tätigkeit einer Bauausführung oder einer Montage, beim Überschreiten der jeweils einschlägigen Fristen, das Risiko einer ungewollten Bau- und Montagebetriebsstätte
besteht. Ebenso ist auch immer wieder zu beobachten, dass sich durch den Ort der Geschäftsleitung ungewollt eine so genannte Geschäftsführer-Betriebsstätte
ergibt.
III. Die ertragsteuerliche Betriebsstätte im internationalen Recht
In Artikel 5 Absatz 1 des OECD Musterabkommens, welches als Vorlage für die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen Deutschland und dem jeweiligen Vertragspartner dient, wird definiert, dass eine Betriebsstätte
eine feste Geschäftseinrichtung
ist, durch die die Geschäftstätigkeit
eines Unternehmens ganz
oder teilweise ausgeübt
wird. Der Artikel 5 Absatz 2 OECD Musterabkommen enthält eine Katalogaufzählung von Betriebsstätten, die nicht identisch, aber ähnlich wie im nationalen Recht ist. Die Bau- und Montageausführungen
sind in Artikel 5 Absatz 3 OECD Musterabkommen gesondert geregelt. Demnach kommt es nur zu einer Betriebsstätte, wenn die Dauer der Ausführung zwölf Monate
überschreitet. Im nationalen Recht
beträgt der Zeitraum lediglich sechs Monate. Somit kann es hier durch Doppelbesteuerungsabkommen zu erheblichen Abweichungen zum nationalem Recht kommen. Es ist jedoch zu beachten, dass jedes Doppelbesteuerungsabkommen individuell ist und die Fristen in diesem Punkt regelmäßig zwischen sechs und zwölf Monaten liegen.
IV. Wesentliche Abweichungen zwischen dem nationalen und internationalen Recht
Hervorzuheben ist das zeitliche Element
bei der Beurteilung, ob eine Betriebsstätte vorliegt. Der Bundesfinanzhof betrachtet die Sechsmonatsfrist
als Anhaltspunkt für die Begründung einer Betriebsstätte. Grundsätzlich zeigt die Praxis vieler OECD-Mitgliedstaaten, dass auch im internationalen Steuerrecht bei einem Unterschreiten der Sechsmonatsfrist nur in Ausnahmefällen
eine Betriebsstätte angenommen wird. Der Diskussionsentwurf der OECD stellt jedoch klar, dass es keine zeitliche Grenze
gibt, unterhalb derer eine Betriebsstätte nicht angenommen wird. Entscheidend
für die Beurteilung ist immer die Absicht im Zeitpunkt der Errichtung. Dabei ist zu beachten, dass im internationalen Recht auch Tätigkeiten, die ihrer Natur nach nur kurzfristiger Natur
sind, auch bei weniger als sechs Monaten zu einer Betriebsstätte führen können (z. B. Catering an einem Filmset). Des Weiteren wird nach der OECD-Auffassung bei wiederkehrenden Tätigkeiten
die Zeitspanne
gegebenenfalls auch über mehrere Jahre kumuliert
betrachtet. Mögliche Beispiele dafür sind Messen, Saisonarbeit
oder jährliche Wartungen von Anlagen. Es ist allgemein zu beobachten, dass im internationalen Steuerrecht
die Anforderungen an das zeitliche Element immer weiter abgesenkt werden und einige Staaten bereits bei kurzfristig angelegten Tätigkeiten
eine Betriebsstätte feststellen.
Praxisbeispiel:
Ein Steuerpflichtiger hat auf einem drei Wochen andauernden Flohmarkt Waren aus seinem Campingwagen heraus verkauft. Der ausländische Staat hat für diese Tätigkeit eine Betriebsstätte festgestellt.
In einem solchen Fall käme erschwerend hinzu, dass Deutschland
eine abweichende Rechtsauffassung vertreten
würde, also keine Betriebsstätte im Ausland sieht. Dies hätte zur Folge, dass Deutschland aufgrund des so genannten „Welteinkommensprinzips“ die gesamten Einkünfte besteuern und keine Freistellung für die Betriebsstätteneinkünfte gewähren würde. Somit käme es zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung. Diese ließe sich regelmäßig nur im Rahmen eines komplizierten und zeitlich aufwendigen Verständigungsverfahren
zwischen den beiden Staaten lösen.
Ein weiteres Kriterium im nationalen und internationalen Recht ist das räumliche Element. Für die Qualifizierung als Betriebsstätte
ist neben dem oben dargestellten zeitlichen Element, eine räumliche Begrenzung
und örtliche Fixierung
erforderlich. Darunter ist jedoch keine feste Verbindung mit der Erdoberfläche
erforderlich. Auch ein täglich auf- und abgebauter Marktstand
kann dieses Kriterium erfüllen. Derzeit ist beispielsweise beim Bundesfinanzhof
ein Verfahren anhängig
in dem geklärt werden muss, ob ein Taxiunternehmer durch die Mitbenutzung eines Schreibtisches
und der alleinigen Nutzung eines Standcontainers eine Betriebsstätte begründet (BFH anhängiges Ver-fahren I R 47/21). Im Rahmen des Verfahrens wird zu klären sein, ob das räumliche Element erfüllt ist und die Verfügungsmacht des Taxiunternehmers ausreichend ist.
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal im nationalen und internationalen Recht für das Vorliegen einer Betriebsstätte ist das Innehaben der Verfügungsmacht. Die deutsche Rechtsauffassung besagt, dass für die Begründung einer Betriebsstätte eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage vorliegen muss. Der Unternehmer muss eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne sein Mitwirken nicht ohne weiteres entzogen werden darf. Die Auffassung der OECD
ist diesbezüglich deutlich weiter gefasst. Danach liegt bereits eine ausreichende Verfügungsmacht
vor, wenn ein Unternehmer aus faktischen Gründen
an einem bestimmten Ort über eine gewisse Zeit unternehmerisch tätig ist. Aus Sicht der OECD ist dafür nicht zwingend ein entsprechendes vertragliches Verhältnis für die Nutzung erforderlich. Im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals stellt sich auch die Frage, wie Privaträume von Angestellten
im Rahmen der Tätigkeiten im Homeoffice
zu beurteilen sind. Aus deutscher Sicht
wird durch die Arbeit im Homeoffice von nichtleitenden Angestellten keine Betriebsstätte
begründet, da das Unternehmen keine Verfügungsmacht über die Wohnräume der Mitarbeiter besitzt. Die OECD
Auffassung weicht davon jedoch ab. Demnach wird das Homeoffice als Betriebsstätte qualifiziert
sofern die Tätigkeit regelmäßig
und über einen längeren Zeitraum
erfolgt und die Nutzung durch betriebliche Gründe des Unternehmens
veranlasst ist, beispielsweise kein Arbeitsplatz
im Unternehmen vorhanden ist. Es gibt in der Praxis bereits eine Vielzahl von Mitgliedstaaten, die dieser OECD Auffassung folgen
und in Fällen von Tätigkeiten im Homeoffice Betriebsstätten
feststellen. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht nur um Fälle mit Mitarbeitern in leitenden Positionen oder mit Abschlussvollmacht handelt, sondern vielmehr auch um ganz normale Sachbearbeiter. Auch hier ergibt sich dann die Schwierigkeit der Doppelbesteuerung, da Deutschland dieser Rechtsauffassung derzeit nicht folgt.
V. Fazit
Hat ein Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte begründet, unterliegt diese im betreffenden Staat selbständigen Registrierungs- und Steuererklärungspflichten. Im Inland werden ausländische Betriebsstättengewinne regelmäßig von der Besteuerung, mitunter unter Progressionsvorbehalt, freigestellt, so dass es im Ergebnis grundsätzlich nur zu einer einmaligen Besteuerung der Betriebsstättengewinne im Ausland kommt. Gleichwohl ist jedoch eine Besteuerung der ausländischen Tätigkeit im Inland und damit einhergehend eine Doppelbesteuerung nicht auszuschließen, wenn aus deutscher steuerlicher Sicht keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Betriebsstätte bestehen. Außerdem sind mit ausländischen Betriebsstätten, durch die sich ergebenden Pflichten im Ausland, auch immer zusätzliche Beratungskosten verbunden. Neben der hier dargestellten Thematik der ertragsteuerlichen Betriebsstätte sind auch immer die Folgen einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte
und umsatzsteuerlichen Betriebsstätte zu berücksichtigen. Es ist jedem Steuerpflichtigen dringend zu empfehlen, im Vorfeld eines Auslandsengagements
die mögliche Begründung einer Auslandsbetriebsstätte sowohl nach deutschem als auch nach dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht analysieren zu lassen. Mögliche Qualifikationsunterschiede können dann idealerweise durch entsprechend eindeutige Sachverhaltsgestaltung oder in Abstimmung mit den beteiligten Finanzämtern vermieden bzw. geklärt werden.
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